Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrente. Weihnachtsgeld. betriebliche Übung. Widerruf. gegenläufige betriebliche Übung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf bestimmte Berechnungsweisen der Betriebsrente, auf Anpassung der Betriebsrente über § 16 BetrAVG hinaus oder auf ein 13. Ruhegehalt ergeben. Dies gilt grundsätzlich auch für Leistungen, die in einer Leistungsordnung nicht vorgesehen sind. Auch auf die Fortgewährung einer zunächst nicht vorgesehenen, aber im Laufe der Zeit üblich gewordenen Leistung darf vertraut werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Leistungen in fehlerhafter Anwendung der Leistungsordnung erbracht wurden.
2. Zahlt beispielsweise ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber in Anlehnung an tarifliche Bestimmungen ein Weihnachtsgeld, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine freiwillige widerrufliche Leistung handelt, die einen Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet, so führt das Unterlassen dieses Hinweises dazu, dass der Arbeitnehmer trotz Kenntnis der fehlenden Verpflichtung des Arbeitgebers darauf vertrauen kann, die Leistung werde auch in Zukunft gewährt werden.
3. Hat ein Arbeitgeber in der Vergangenheit vorbehaltlos eine Leistung erbracht und ist dadurch im Wege betrieblicher Übung eine Bindung für die Zukunft entstanden, muss der Arbeitgeber in besonderer Weise klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er sich von dieser betrieblichen Übung lösen und einen Rechtsanspruch für die Zukunft nunmehr ausschließen wolle. Ohne eine entsprechende eindeutige Erklärung, die insbesondere darauf gerichtet sein muss, Ansprüche für die Zukunft auszuschließen, kann er nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer durch Schweigen mit einer Änderung der betrieblichen Übung einverstanden ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242; BetrAVG § 1b
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 22.03.2007; Aktenzeichen 1 Ca 10482/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.03.2007 – 1 Ca 10482/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin bezieht von der Beklagten Leistungen nach Maßgabe betrieblicher Altersversorgung.
Seit 1992 zahlte die Beklagte an alle Betriebsrentner jeweils im November einen Betrag in Höhe von 500,00 DM als „Weihnachtsgeld”.
Nach der Währungsumstellung auf Euro wurde die Zahlung jeweils in Höhe von 250,00 EUR geleistet.
In einem Schreiben der Beklagten an ihre Betriebsrentner vom 22.01.2002 heißt es:
„Im Rahmen der Überarbeitung des Sozialleistungstableaus der R Gesellschaften hat der Vorstand entschieden, dass die freiwillige Zahlung, die sie in der Vergangenheit gemeinsam mit ihrer Rentenzahlung im November erhielten, nur noch bis 2004 geleistet wird.
Den Geschenkgutschein zu Weihnachten erhielten Sie letztmals in 2001.”
In den Novemberabrechnungen der Jahre 2002 bis 2004 ist die Zahlung des Weihnachtsgeldes als „Versorgungsbezug freiwillige Leistung” bezeichnet.
In den Jahren 2005 und 2006 zahlte die Beklagte kein Weihnachtsgeld mehr.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2006 zu zahlen.
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche zuerkannt und hierzu angenommen, dass durch die jahrelange Zahlung des Weihnachtsgeldes an Betriebsrentner eine so genannte betriebliche Übung entstanden sei, die insbesondere nicht nach Maßgabe einer sogenannten gegenläufigen betrieblichen Übung wieder entfallen sei.
Voraussetzung für eine solche gegenläufige betriebliche Übung sei nämlich, dass sich die Veränderung unmittelbar auswirke und der Arbeitnehmer in Kenntnis dieser Auswirkungen weiterarbeite, obwohl nach der Verkehrssitte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein ausdrücklicher Widerspruch zu erwarten gewesen wäre. Dem Schweigen der Klägerin auf das Schreiben an die Betriebsrentner vom 22.01.2002 sowie dem Untätigbleiben nach Erhalt der Novemberabrechnungen der Jahre 2002 bis 2004 komme ein derartiger Erklärungswert nicht zu.
Da bereits eine gegenläufige betriebliche Übung nicht vorliege komme es auch nicht darauf an, ob die nachträgliche Implementierung eines „Freiwilligkeitsvorbehalts” auch im Betriebsrentenrecht dem Transparenzerfordernis für Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte genügen müsse. Ergänzend wird auf die Begründung des Urteils erster Instanz Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 02.04.2007 zugestellte Urteil erster Instanz wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 11.04.2007, die sie am 29.05.2007 begründet hat.
Die Berufung nimmt in Anspruch, dass das Entstehen einer betrieblichen Übung schon deshalb nicht in Betracht komme, ...