Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Präparationsassistenten in einem meereskundlichen Museum nach dem TvÖD

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien zwischen "Beschäftigten mit assistierenden Tätigkeiten im Bereich der Präparation" und "Beschäftigten mit Präparationstätigkeiten" nach einer bestimmten beruflichen Bildung unterscheiden wollen.

2. Der Präparationsassistent arbeitet nicht allein im Sinne einer "Hilfestellung" oder "Handreichung". Es findet sich kein Hinweis darauf, dass präparationstechnische Assistentinnen und Assistenten ausschließlich einer anderen Person zuarbeiten, sondern ihnen wird eigenständiges und eigenverantwortliches Arbeiten abverlangt.

3. Zur Erfüllung des Merkmals der besonderen Fachkenntnisse wird über besondere handwerkliche Fähigkeiten hinausgehend eine eigenständige Gedankenarbeit abverlangt, aufgrund derer etwas Neuartiges entsteht, die eine Orientierung an Vorlagen ersetzt bzw. eine Veränderung eines Originals ermöglicht.

 

Normenkette

TVöD-V § 12; BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 18.05.2021; Aktenzeichen 1 BV 5/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund zum Az.: 1 BV 5/20 vom 18.05.2021 abgeändert und es wird die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung des Arbeitnehmers M. J. ab dem 01.01.2019 in die Entgeltgruppe E 9 a der Entgeltordnung des TVöD (VKA) ersetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) (Betriebsrat) zu der von der Beteiligten zu 1) (Arbeitgeberin) beabsichtigten Eingruppierung des Arbeitnehmers J.

Die Beteiligte zu 1) betreibt ein meereskundliches Museum. Zum 01.01.2019 erfolgte eine Übertragung des Geschäftsbetriebs der O. Stralsund GmbH auf die Beteiligte zu 1) und es gingen die Arbeitsverhältnisse von etwa 80 Beschäftigten im Wege des Betriebsübergangs auf die Beteiligte zu 1) über.

Der Beteiligte zu 2) ist aufgrund gemeinsamer Wahl der Belegschaft gebildet worden. Wegen des Betriebsübergangs haben die Beteiligten mit Datum vom 25.09.2019 einen "Interessenausgleich über eine Betriebsänderung" geschlossen.

Die Beteiligte zu 1) ist aufgrund eines Haustarifvertrages an den Tarifvertag des öffentlichen Dienstes (TVöD-VKA) gebunden. Aus diesem Grunde waren die von einem Betrieb der Privatwirtschaft übernommenen Arbeitnehmer erstmalig nach der für den öffentlichen Dienst bestehenden Entgeltordnung einzugruppieren. Hierzu haben die Parteien im Interessenausgleich (§§ 3 ff.) Regelungen für das Eingruppierungsverfahren getroffen.

Der Mitarbeiter J. verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Zierpflanzengärtner und ist seit dem 01.09.2015 bei der Beteiligten zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er ist der Abteilung "Wissenschaft und Forschung" zugeordnet, untersteht gemeinsam mit drei weiteren Präparatoren dem Teamleiter "Präparation".

Der Beschäftigte J. hat auf die Weisung, eine Riesenmoräne herzustellen, entschieden, hierzu einen selbst hergestellten Hartschaumrohling zu verwenden, hat nach eigenständiger Recherche von Bild- und Videomaterial den Kopfbereich geformt, sich entschieden, die Moräne nicht mit geschlossenem, sondern geöffnetem Maul darzustellen, dazu auf der Grundlage von Bild- und Filmmaterial den Oberkiefer ausgearbeitet, aufgrund der ihm vorliegenden Bild- und Filmaufnahmen die Haut modelliert. Der Beschäftigte J. musste entscheiden, wie eine stabile und sichere Befestigung des Kiefers am Körper erfolgt, der Hartschaumrohling eine dauerhafte Stabilität erlangt, wie eine naturgetreue Formgebung der Haut bei optimaler Farbgebung mit entsprechend dauerhafter Beständigkeit ermöglicht wird.

Weil der Beteiligten zu 1) zur Erstellung einer Eisbärenplastik erforderliche Erfahrungen nicht zur Verfügung stehen, hat sie sich entschlossen, hierzu ein Museum in G. in Österreich mit einschlägigen Vorerfahrungen als Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Beschäftigte J. hat dort im Rahmen eines Workshops eine Eisbärenplastik gefertigt. Mittels Kopierer hat er aus einem Buch für Tieranatomie eine schematische Darstellung eines Eisbärenskelettes entnommen, Konturenscheiben aus Hartschaum angefertigt, verdrahtet und das Modell mit Spezialmodelliermasse modelliert, um einzelne Muskeln abzubilden. Mit Hilfe der Kleinplastik stellte der Beschäftigte J. sodann die Großplastik her.

Im Jahr 2016 hat der Beschäftigte J. die Aufgabe der Restauration eines alten Echthautpräparates erhalten. Es handelte sich um die Haut eines Plattfisches, bei dem die Flossensäume unvollständig bzw. gebrochen waren oder gänzlich fehlten. Auch der Schwanz war gebrochen. Um eine hundertprozentige Passgenauigkeit zu gewährleisten, entwickelte der Beschäftigte J. die Idee, den neuen Flossensaum direkt nahtlos dem alten anzugießen. Nach einigen durch den Beschäftigten J. eigenständig ausgeübten Proben und Prüfung diverser Produktbeschreibungen entschied ...

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