Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligtenfähigkeit in Beschlussverfahren zu Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretung. Unzulässigkeit der Beschwerde eines nicht am Verfahren Beteiligten. Eingeschränkte gerichtliche Prüfung der Nutzung eines Privatfahrzeugs durch die Schwerbehindertenvertretung. Vertretbare Gründe für die Nutzung des Privatfahrzeugs statt öffentlicher Verkehrsmittel. Benachteiligungsverbot für die Schwerbehindertenvertretung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Keine Beteiligtenfähigkeit des Landesamtes für Finanzen des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Beschlussverfahren wegen der Wegstreckenentschädigung der Schwerbehindertenvertretung.

2. Legen am Verfahren nicht Beteiligte Beschwerde gegen den Beschluss eines Arbeitsgerichts ein, sind ihre Beschwerden unzulässig und müssen als unzulässig verworfen werden (BAG, Beschluss vom 14.02.1984 - 1 ABR 3/82 - Rn. 31, juris; BAG, Beschluss vom 13.03.1984 - 1 ABR 49/82 - Rn. 17, juris).

3. Die nach pflichtgemäßer Abwägung der für und gegen die Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs sprechenden Umstände durch die Schwerbehindertenvertretung getroffene Entscheidung, dieses zu nutzen, ist gerichtlich nur auf Vertretbarkeit zu überprüfen (BVerwG, Beschluss vom 01.03.2018 - 5 P 5/17 - Rn. 17, m.w.N., juris).

4. Auch wenn es möglich ist, die Fahrtstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln kostengünstiger zu gestalten, können die Berücksichtigung der Zeitersparnis, die Einbeziehung spezieller, für die Schwerbehindertenvertretung bestehender Gesichtspunkte sowie die Beachtung individueller persönlicher Belastungen vertretbar zum Vorliegen triftiger Gründe führen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren die Stellen ein Recht auf Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Dies ist von Amts wegen noch in der Beschwerdeinstanz zu prüfen.

2. Aus dem Benachteiligungsverbot der Schwerbehindertenvertretung folgt, den Beschäftigten vor Kosten zu bewahren, die er bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung seines Amtes nicht vermeiden kann. Erhält er diese Kosten zu erheblichen Teilen nicht erstattet, so muss er als Folge seiner Amtswahrnehmung einen entsprechenden Teil seines Einkommens aufbringen. Dies ist jedoch mit Blick auf das Benachteiligungsverbot nicht gerechtfertigt.

 

Normenkette

SGB IX § 179 Abs. 8; PersVG MV § 35 Abs. 1 Nr. 1; LRKG MV §§ 17, 4 Abs. 1 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Nr. 2; ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 40

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 04.05.2021; Aktenzeichen 2 BV 6/19)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund vom 04.05.2021 zum Aktenzeichen: 2 BV 6/19 wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4 wird als unzulässig verworfen.

II. Der Tenor vorgenannten Beschlusses wird wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner und Beteiligte zu 3 dem Antragsteller und Beteiligten zu 1 ab dem 01.01.2022 eine Wegestreckenentschädigung von 0,30 € je gefahrenen Kilometer für die Fahrten der Bezirksvertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung mit dem eigenen PKW zwischen seinem Wohnort F.-W.-Straße XX, 18435 Stralsund zum Staatlichen Schulamt G-Stadt., M.-A.-N.-Platz X, 17489 Greifswald sowie zurück zu gewähren hat.

2. Das zu 3 beteiligte Land wird verpflichtet, an den Antragsteller und Beteiligten zu 2 einen Betrag in Höhe von 4.059,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank auf 1.333,80 € ab dem 14.12.2019, auf 1.918,80 € seit dem 16.05.2020, auf 2.792,40 € seit dem 10.02.2021 und auf 4.059,90 € seit dem 21.04.2022 zu zahlen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in vorliegendem Beschlussverfahren über die Höhe der den Beteiligten zu 1 und 2 zustehenden Wegstreckenentschädigung für Fahrten von dem Wohnsitz des Beteiligten zu 2 in H-Stadt zum Sitz der Schwerbehindertenvertretung in G-Stadt sowie die Leistung von Differenzzahlungen.

Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um die bei dem Staatlichen Schulamt G-Stadt gewählte Schwerbehindertenvertretung, bei dem Beteiligten zu 2 um die Bezirksvertrauensperson dieser Schwerbehindertenvertretung.

Im erstinstanzlichen Beschlussverfahren waren daneben als Beteiligter zu 3 das Staatliche Schulamt G-Stadt und als Beteiligter zu 4 das Landesamt für Finanzen in das Verfahren einbezogen. Beide sind zwischenzeitlich aus dem Verfahren ausgeschieden bzw. klarstellend ist nunmehr als Beteiligter zu 3 das Land Mecklenburg-Vorpommern bezeichnet.

Der Beteiligte zu 2 hatte seinen Dienstort an einer Schule in H-Stadt. Hier ist auch sein Wohnsitz gelegen. Im Jahr 2015 wurde er zur Bezirksvertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung bei dem Staatlichen Schulamt G-Stadt gewählt. Als solche ist er in Räumlichkeiten des Staatlichen Schulamtes in G-Stadt tätig. Während er f...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge