Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweise Mitgestaltung bei Einflussnahme auf Arbeitsabläufe nach dem ERTV Brot- und Backwarenindustrie für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin. Einwirkung auf Arbeitsschritte für Eingruppierung in Entgeltrahmentarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
Eine "Einflussnahme auf den Arbeitsablauf" im Sinne der Gruppe F des Entgeltrahmentarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der Brot- und Backwarenindustrie in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin vom 26.02.1991 setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsablauf zumindest teilweise mitgestaltet und über einzelne Arbeitsschritte im Arbeitsablauf selbst entscheidet, sei es über deren Ausführung, deren Reihenfolge, deren Dauer, deren Umfang etc. Daran kann es fehlen, wenn ein Kommissionierer mit Brot beladene Paletten mit einem Flurförderzeug nach den Vorgaben eines Warenwirtschaftssystems zu den jeweiligen Lkw zu transportieren hat.
Normenkette
TVG § 1; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 10.03.2021; Aktenzeichen 1 Ca 1322/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 10.03.2021 - 1 Ca 1322/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung eines Kommissioniers in der Brot- und Backwarenindustrie.
Der im März 1969 geborene Kläger ist gelernter Gas- und Wasserinstallateur und seit dem 25.08.1998 bei der Beklagten bzw. einer Rechtsvorgängerin arbeitsvertraglich als Kommissionierer beschäftigt. Die Beklagte erbringt Transport- und Logistik-Service-Leistungen für ihre Muttergesellschaft, die industriell Brot und Backwaren herstellt. Der Kläger ist am Standort L. tätig. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Anerkennungstarifvertrag der Beklagten vom 05.11.2003, der wiederum - mit verschiedenen Abweichungen - auf den Entgeltrahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der Brot- und Backwarenindustrie in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin vom 26.02.1991, abgeschlossen zwischen dem Verband der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie, dem Verband der Konsumgenossenschaften und der Gewerkschaft NGG (im Folgenden: ERTV) verweist. Der Kläger erhält das Entgelt der Gruppe D des ERTV, was bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden ein durchschnittliches Monatsgehalt von € 2.058,07 brutto ergibt.
Aufgabe des Klägers ist es, das von der Muttergesellschaft produzierte und auf Paletten verpackte Brot mithilfe eines akkubetriebenen Flurförderzeuges vom Ende der Produktionsstraße durch die Halle hindurch zu den Lkw zu transportieren. Das Flurförderzeug fährt mit einer Geschwindigkeit von 7-8 km/h und verfügt über eine Standplattform für den Bediener. Der Kläger nutzt ein elektronisches Handgerät (MDE-Gerät), mit dem er zunächst die zu transportierende Produktionspalette erfasst, indem er den Barcode auf dem Transportetikett scannt. Im nächsten Bedienschritt ist die Übernahme der Palette in den Bestand der zentralen Expedition zu bestätigen. Auf dem Gerät erscheinen sodann die Anzahl der Gebinde und Brote auf dieser Palette, die Brotsorte nebst Artikelnummer, das Mindesthaltbarkeitsdatum, das Auslieferdatum sowie weitere Zahlencodes. Zudem wird die durchzuführende Aktion angezeigt, hier: "Gebinde prüfen + bestätigen". Sodann zeigt das Gerät an, welche Empfänger eine Palette mit dieser Anzahl von Broten dieser Sorte erhalten. Empfänger sind im Regelfall Hauptumschlagbasen der Beklagten oder Verteilerzentren verschiedener Einzelhandelsketten. In dem Handgerät ist nunmehr anhand der vorgegebenen Besteller ein Empfänger für die Palette auszuwählen. Dabei sind insbesondere die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der verschiedenen Lkw zu berücksichtigen. Nach Verladung der Palette ist diese auf den ausgewählten Kunden zu buchen. Im Falle einer eventuell notwendigen Zwischenlagerung in der Halle ist das ebenfalls zu registrieren. Soweit Lkw zu entladen sind, vollzieht sich der Vorgang entsprechend. Aufeinandergestapelt werden die Paletten nicht.
Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Entgelts der Gruppe F des ERTV und machte die entsprechenden Differenzbeträge zunächst für die Monate Juli 2019 bis einschließlich September 2019 geltend. In weiteren Schreiben verlangte er die Zahlung der Entgeltdifferenzen für die darauf folgenden Monate bis einschließlich Dezember 2020.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Tätigkeiten der Gruppe F des ERTV zuzuordnen seien. Die Aufgabe stelle besondere Anforderungen im Sinne des Tarifvertrages. Der Kläger müsse mit dem Warenwirtschaftssystem umgehen können. Zudem benötige er einen Gabelstaplerschein für die Bedienung des Flurförderzeuges. Der Kläger habe einen direkten Einfluss auf den Arbeitsablauf, da er über die Weiterverwendung der Waren ...