Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der betrieblichen Änderungskündigung eines Bereichsleiters einer diakonischen Einrichtung. Anforderungen an Leitung einer Dienststelle bei Bereichsleiter einer diakonischen Einrichtung. Endentscheidungsbefugnis als Merkmal der Dienststellenleitung. Keine Mitbestimmungsbefugnis der Mitarbeitervertretung bei fehlendem Merkmal der Dienststellenleitung
Leitsatz (amtlich)
Ein Bereichsleiter in einer diakonischen Einrichtung gehört nach § 4 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD nur dann zur Dienststellenleitung, wenn er allein oder gemeinsam mit anderen Personen ständig und nicht nur in Einzelfällen zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt ist, die nach dem MVG-EKD der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Ausschlaggebend sind die tatsächlich erteilten Befugnisse und deren tatsächliche Handhabung. Nicht ausreichend ist es, wenn der Bereichsleiter lediglich Vorentscheidungen treffen darf, mögen diese auch die endgültigen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.
Normenkette
MVG-EKD § 4 Abs. 2, §§ 38, 42, 44; ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 12.12.2019; Aktenzeichen 2 Ca 751/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 12.12.2019 - 2 Ca 751/19 - abgeändert und festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die mit Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27.06.2019 rechtsunwirksam ist.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Revisionsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung, unter anderem über die Notwendigkeit einer Beteiligung der Mitarbeitervertretung.
Der im November 1966 geborene Kläger schloss im Jahr 1987 seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann ab und arbeitete anschließend in diesem Beruf. 1991/92 erwarb er die Fachhochschulreife an einem Berufskolleg. Ab 1992 war er zunächst als Pflegehelfer tätig und absolvierte sodann eine Ausbildung zum Krankenpfleger, die er im Jahr 1996 abschloss. Mit dem sich daran anschließenden 4-jährigen Studium zum Religionspädagogen und Gemeindediakon erwarb er die Befähigung als Diplom-Religionspädagoge und Diakon.
Am 01.09.2001 nahm der Kläger bei dem Beklagten eine Vollzeitbeschäftigung als
"Leitender Mitarbeiter mit Verantwortung für den Fachbereich Altenhilfe, einschließlich 'Haus-Service-Ruf' und Sozialstationen"
auf. Laut Dienstvertrag vom 20.07.2001 gelten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung, mittlerweile umbenannt in Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind (im Folgenden nur AVR).
Der Beklagte ist ein in A-Stadt ansässiger Diakonieverein mit etwa 800 Mitarbeitern, der rund 30 soziale Dienste und Einrichtungen unterhält. Zu ihm gehören zwei hundertprozentige Tochtergesellschaften, die D. D. S. Gesellschaft mbH sowie die I. A-Stadt GmbH.
Die Parteien schlossen am 06.04.2004 einen Änderungsvertrag, nach dem der Kläger rückwirkend zum 01.04.2004
"mit 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters als Bereichsleiter stationäre Altenhilfe und mit 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters als Qualitätsbeauftragter"
beschäftigt wird. Der Änderungsvertrag sieht eine Eingruppierung in der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 19 AVR vor. Zum 01.10.2009 gruppierte der Beklagte den Kläger auf dessen Antrag hin in die Entgeltgruppe (EG) 12 AVR um. Die Höhergruppierung diente dem finanziellen Ausgleich, nachdem die Bewerbung des Klägers auf die Vorstandsposition nicht berücksichtigt worden war. Der Kläger war seinerzeit zuständig für vier Einrichtungen der Altenpflege mit insgesamt 260-280 Mitarbeitern.
Nachdem der Beklagte lange Zeit mit der Arbeit des Klägers zufrieden war, stellte er Anfang des Jahres 2013 Veränderungen in der Aufgabenwahrnehmung fest. Unter Einbindung des satzungsgemäß gebildeten Verwaltungsrats entschied sich der Beklagte dafür, die Stelle des Bereichsleiters stationäre Altenhilfe zum 01.01.2014 ersatzlos zu streichen und die Leiter der einzelnen Einrichtungen direkt dem Vorstand zu unterstellen. In der Folge sprach der Beklagte mehrere Änderungskündigungen mit unterschiedlichen Änderungsangeboten aus, gegen die sich der Kläger jeweils mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich zur Wehr setzte:
1. Änderungskündigung vom 17.06.2013 zum 31.12.2013
2. Änderungskündigung vom 26.03.2014 zum 30.09.2014
3. Änderungskündigung vom 30.09.2014 zum 31.03.2015
4. Änderungskündigung vom 30.03.2015 zum 30.09.2015
5. Änderungskündigung vom 30.03.2016 zum 30.09.2016
6. Änderungskündigung vom 13.11.2018 zum 30.06.2019.
Aufgaben der Bereichsleitung Altenhilfe nahm der Kläger ab 2014 nicht mehr wahr. Der Beklagte beschäftigte ihn zunächst im Qualitätsmanag...