Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Urteil vom 07.12.1994; Aktenzeichen 2 Ca 124/93)

 

Tenor

A. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom7. Dezember 1994 – 2 Ca 124/93 – wie folgt teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.293,40 DM brutto als Verpflegungsgeld für die Zeit vom 1. April 1992 bis zum 28. Mai 1993 zu zahlen nebst 4 Prozent Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab dem 27. Juli 1993.
  2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger pro Landtag Verpflegungsgeld in der Höhe zu zahlen, wie es Besatzungsmitgliedern von der DFO Deutsche Fährgesellschaft Ostsee mbH (bzw. deren Rechtsvorgängerin Deutsche Reichsbahn) gezahlt wird entsprechend den zwischen der DFO und der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands abgeschlossenen Tarifverträgen – niedrigster Satz –.

B. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

C. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

D. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines Musterverfahrens für rund 150 Arbeitnehmer darüber, ob der Kläger als Besatzungsmitglied im Sinne des Seemannsgesetzes anzusehen ist und deshalb Verpflegungsgeld für jeden an Land verbrachten freien Tag ab dem 1. April 1992 beanspruchen kann.

Der am 2. August 1957 geborene Kläger ist seit dem 1. Februar 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin MITROPA AG-Niederlassung S. – beschäftigt. Von Anfang an wurde er auf dem Eisenbannfährschiff W. als Erlöskassierer im Service-Bereich (= Catering- und Verkaufsbereich) eingesetzt. Am 19. Januar 1984 stellte die Deutsche Reichsbahn als damaliger Reeder der W. mit dem Kläger als „Besatzungsmitglied” darüber einen entsprechenden Heuerschein aus (vgl. Bl. 70 d. A.).

Arbeitsaufgabe des Klägers ist es, an Bord die Erlöse aus der Cafeteria, dem Kiosk, der Information (einschließlich Fahrkartenverkauf), dem Personalverkauf und dem Restaurant abzurechnen und zu kontrollieren. Die Arbeitsverpflichtung des Klägers besteht grundsätzlich in abwechselnd 7 Tagen Dienst an Bord und 7 freien Tagen an Land. Während der 7 Tage Dienst ist der Kläger an Bord untergebracht. Die Verpflegung wird dann vom Arbeitgeber kostenlos gestellt. Für Tage, die der Kläger wegen Freischichten an Land verbringt, so daß er die ansonsten an Bord gestellte Verpflegung nicht in Anspruch nehmen kann, erhielt er früher zumindest bis zum 31. Dezember 1990 Verpflegungsgeld.

Mit Wirkung vom 1. April 1991 schlossen der Kläger und die M. AG einen Arbeits-Änderungsvertrag (vgl. Vertrag vom 19. Juni 1991: Bl. 6–8 d.A.). Danach ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Rahmenmanteltarifvertrag und der Entgelttarifvertrag der M. AG Fährschiffe in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Darüber hinaus sind beide Seiten kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden. Der ab 1. April 1991 gültige Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag für alle Arbeitnehmer/innen der M. AG Fährschiffen (vgl. Bl. 36–41 d. A.) sah in seinen Ziffern 2 und 8 eine Protokollnotiz mit Regelungen zur Besitzstandswahrung vor. Deren Ziffer 4 lautet wie folgt (vgl. Bl. 41 d.A.):

4. Verpflegungsgeld

Für AN. die bis zum 31.12.90 Verpflegungsgeld erhielten, wird das Verpflegungsgeld von 5,80 DM pro Tag der zustehenden Freiwoche weiter gezahlt.

Daraufhin gewährte die M. AG dem Kläger über den 1. April 1991 hinaus Verpflegungsgeld in Höhe von 5,80 DM pro Landtag.

Ab dem 1. April 1992 galt eine neue Fassung des genannten Tarifvertrages (vgl. Bl. 42–46 d.A.), die ein Verpflegungsgeld an keiner Stelle erwähnte. Daher stellte die M. AG ihre entsprechenden Zahlungen mit Wirkung vom 31. März 1992 ein. Kostenlose Verpflegung an Bord gewährte sie weiter. Die ab 1. Juni 1993 gültige Fassung des Tarifvertrages (vgl. Bl. 47–54 d.A.) brachte keine Änderung.

Dagegen erhalten die vom Reeder an Bord beschäftigten Arbeitnehmer Verpflegungsgeld für Landtage. Grundlage dafür sind entsprechende Tarifverträge. Ab dem 1. Juli 1993 betrug das Verpflegungsgeld danach 12,70 DM pro Landtag.

Heimathafen der Eisenbahnfähre W. war Saßnitz (vgl. Schiffszertifikat vom 13. Januar 1992: Bl. 9–10 d.A.). Sie verkehrte auf der Fährlinie Warnemünde – Gedser. Als Mindestbesatzung forderte die zuständige See-Berufsgenossenschaft 22 Besatzungsmitglieder für den reinen Schiffsbetrieb. Als Verpflegungspersonal für die Besatzung kamen nach Nr. 12 der Unfallverhütungsvorschrift-See drei Arbeitnehmer hinzu. Für die Sicherheit des gesamten Schiffes einschließlich der Passagiere mußten sich 40 Rettungsbootsleute und zugleich 9 Feuerschutzleute an Bord befinden. Das Schiffsbesatzungszeugnis vom 3. November 1992 (Bl. 109 d.A.) hatte folgenden Inhalt:

Die Rechtsbeziehungen zwischen der M. AG und der Deutschen Reichsbahn bezüglich des Eisenbahnfährschiffes „W.” wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch einen Pachtvertrag (vgl. Bl. 84–97 d.A.) neu geregelt. Danach verpachtete die Deutsche Reichsbahn der M. AG die Service-Betriebe auf ihren ...

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