Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Aktenzeichen 10 Ca 199/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.1998; Aktenzeichen 8 AZR 596/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stralsund wie folgt abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die ordentliche Kündigung vom 12.4.1995 zum 30.9.1995 nicht beendet worden ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung durch das beklagte Land wegen des Vorwurfs, die Klägerin habe für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet bzw. hierüber eine falsche Erklärung gegenüber dem beklagten Land abgegeben. In dem unstreitigen Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund vom 31.1.1996 – 10 Ca 199/95 – heißt es hierzu wie folgt:

„Die am 30. Januar 1954 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Klägerin ist seit 1977 bei dem beklagten Land bzw. dessen Rechtsvorgänger als Lehrerin beschäftigt. Die Klägerin war bei Ausspruch der streitbefangenen Kündigung als Lehrerin an der Realschule in A. eingesetzt, ihr letztes Bruttomonatsentgelt betrug DM 4.620,00.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden zumindest kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages für die Angestellten im öffentlichen Dienst des Beitrittsgebiets (BAT-O) und den diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge Anwendung.

Mit Schreiben vom 12. April 1995, der Klägerin am 19. April 1995 zugegangen, kündigte das beklagte Land das bestehende Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist, hilfsweise ordentlich zum 30. September 1995. Als Grund für die ausgesprochene Kündigung sind in dem Kündigungsschreiben Kontakte der Klägerin mit Mitarbeitern des MfS in der Zeit von 1985 bis 1987 genannt.

In dieser Zeit war die Klägerin als Lehrerin für die Fächer Deutsch, Geschichte und Staatsbürgerkunde an der E. T. -O. … in Str… beschäftigt. Sie war zumindest seit 1983 stellvertretende Parteisekretärin an der Schule und darüber hinaus in der SED und dem FDGB sowie der DSF organisiert.

Am 23. Mai 1985 fand zwischen der Klägerin und einem Mitarbeiter des MfS im Zimmer des seinerzeitigen Kaderleiters des Rates der Stadt ein erstes Gespräch statt. Das MfS suchte den Kontakt zu der Klägerin, weil diese über die Familie ihres Mannes mit dem seinerzeit bei der IG Metall in Frankfurt/Main als Vorstandsrevisor beschäftigten Herrn Ibler bekannt war. Das MfS hoffte, über die Klägerin nähere Informationen über Herrn Ibler zu erhalten, die als Basis für dessen Einbindung in die Arbeit des MfS dienen sollten. Die Klägerin erklärte sich in diesem Gespräch gegenüber dem Mitarbeiter des MfS zur Zusammenarbeit bereit. In der Folgezeit kam es im Jahr 1985 zumindest am 18. Juni, 13. August sowie am 27. November 1985 zu weiteren Treffen der Klägerin mit Vertretern des MfS in einer konspirativen Wohnung, in deren Verlauf sie umfassend über die Person und die dienstliche Tätigkeit von Herrn … berichtete. Diese dann vom MfS ausgewerteten Informationen führten zu einem umfassenden Personendossier über Herrn … welches unter dem 26. Mai 1986 erstellt wurde. Am 6. März und 31. August 1987 fanden weitere Treffen von Mitarbeitern des MfS mit der Klägerin statt. Dabei wurden Möglichkeiten erörtert, entweder den Ehemann der Klägerin in die Arbeit des MfS einzubinden oder einen Mitarbeiter der Behörde in den Bekanntenkreis der Klägerin einzuführen, der mit Herrn I. Kontakt aufnehmen sollte. Nach einem Abschlußbericht des MfS vom 16. November 1987 wurden der Einbindung des Herrn I. in die Tätigkeit des MfS keine Erfolgsaussichten beigemessen und die Bearbeitung des Vorganges eingestellt.

In einem unter dem 24. März 1992 unterzeichneten Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten gab die Klägerin auf Befragen an, niemals „hauptamtlicher, informeller/inoffizieller Mitarbeiter” des MfS gewesen zu sein.

Durch einen Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Mai 1994 erhielt das beklagte Land Kenntnis von Kontakten der Klägerin zum MfS. Am 14. Juni 1994 wurde die Klägerin vom beklagten Land über mögliche Kontakte zum MfS ergänzend befragt.

Unter dem 21. Juli 1994 beantragte das beklagte Land beim Hauptpersonalrat Schulen die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin. Der Antrag ging dem Personalratsvorsitzenden am 29. Juli 1994 zu. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens erhob der Hauptpersonalrat zunächst unter dem 2. August 1994 Einwendungen, die dazu führten, daß ihm bis zum 6. Dezember 1994 ergänzende Unterlagen aus der über die Klägerin beim Bundesbeauftragten geführten Akte zugeleitet wurden. Das en...

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