Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktionsrecht aus § 106 Satz 1 GewO. Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen. Rechtmäßige Übertragung einer Mentorentätigkeit auf eine Lehrkraft

 

Leitsatz (amtlich)

Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO, wenn der Arbeitgeber einer Lehrkraft eine Mentorentätigkeit für die Dauer des Vorbereitungsdienstes eines Referendars zuweist und bei der Auswahl zwischen den fachlich infrage kommenden Lehrkräften deren jeweilige Belastungen durch Sonderfunktionen berücksichtigt und diese annähernd gleichmäßig verteilt.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 106 Satz 1GewO kann der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen.

3. Eine Mentorentätigkeit ist ein typischer Bestandteil des Aufgabenspektrums einer Lehrkraft. Der Arbeitgeber darf einer Lehrkraft diese Tätigkeit kraft Direktionsrechts übertragen.

 

Normenkette

LehrArbzLVO MV §§ 1, 5; GewO § 106; BGB § 315; PersVG MV § 70 Abs. 1 Nr. 7, § 62 Abs. 1; TV-L § 44 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 02.03.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1198/21)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Klägerin gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.03.2022 und das Schlussurteil vom 22.06.2022 -1 Ca 1198/21- werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Zuweisung einer Mentorentätigkeit für einen Lehramtsreferendar und die hierfür zu gewährende Entlastung.

Die 1970 geborene Klägerin ist seit dem 12.02.1998 bei dem beklagten Land als Lehrerin mit den Fächern Biologie und Chemie beschäftigt und unterrichtet an dem Gymnasium in C.. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Im Anschluss an eine längere Erkrankung der Klägerin vereinbarten die Parteien eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 22/27 Unterrichtspflichtstunden.

An dem Gymnasium in C. sind neben der Klägerin zwei weitere Lehrkräfte in den Fächern Biologie und Chemie tätig, nämlich die jeweils vollzeitbeschäftigten Lehrerinnen D und S. Frau D war im Schuljahr 2021/2022 als Klassenleiterin eingesetzt und unterrichtete lediglich eine Chemiestunde. Zudem ist sie Gleichstellungsbeauftragte und arbeitet in der Rahmenplankommission Biologie mit. Im Schuljahr 2016/2017 hatte sie bereits einen Referendar im Fach Biologie betreut. Frau S war im Schuljahr 2021/2022 als Klassenleiterin einer 7. Klasse eingesetzt. Des Weiteren gehört sie dem örtlichen Personalrat an. Insgesamt erhält sie fünf Anrechnungsstunden.

Mit Schreiben vom 17.09.2021 wies der Schulleiter des Gymnasiums die Klägerin an, den zum 01.10.2021 eingestellten Referendar J im Fach Chemie, Lehramt an Gymnasien, für die Dauer des Vorbereitungsdienstes (bis 31.03.2023) als Mentorin zu betreuen. Zugleich gewährte er der Klägerin eine Entlastung in Form einer Stundenreduzierung um zwei Unterrichtsstunden im 2. Halbjahr des Schuljahres 2021/2022 sowie eine Stundenreduzierung im Schuljahr 2022/2023 um eine Unterrichtsstunde. Die Klägerin hatte bislang keine Referendare betreut. Bei Zuweisung des Referendars J war ihr auch keine Klassenleitung übertragen.

Der Referendar J trat am 01.10.2021 seinen Vorbereitungsdienst in den Fächern Chemie und Sport an. Die Ausbildung im Fach Sport übernahm eine andere Lehrkraft. Im Schuljahr 2021/2022 war der Referendar in beiden Fächern mit jeweils fünf Unterrichtsstunden eingesetzt, im Schuljahr 2022/2023 sodann mit vier Chemiestunden und sechs Sportstunden.

Die Klägerin übernahm zwar die Mentorentätigkeit für den Referendar im Fach Chemie, forderte jedoch den Schulleiter mit Schreiben vom 08.11.2021 auf, die Anordnung zurückzunehmen. Zur Begründung verwies sie auf ihren gesundheitlichen Zustand und den mit der Mentorentätigkeit verbundenen, durch die Unterrichtsreduzierung nicht ausgeglichenen zusätzlichen Zeitaufwand. Mit Schreiben vom 30.11.2021 teilte der Schulleiter ihr mit, die ihr zustehende Anrechnungsstunde ab sofort durch eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung im Fach Chemie in der Klasse 8a zu gewähren. Den Unterricht in der Klasse 8a übertrug der Beklagte dem Referendar J in eigener Verantwortung. Im Schuljahr 2022/2023 reduzierte der Beklagte von vornherein den Unterrichtsumfang der Klägerin und verplante sie lediglich mit 21 Unterrichtsstunden. In dem vorangegangenen Schuljahr war dies nicht möglich, da bei Dienstantritt des Referen...

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