Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Die illoyale Verspätung einer Rechtsausübung kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Verwirkung des Klagerechts fuhren. Unter Umständen kann das Verstreichen lassen von 2,5 Monaten bis zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bereits das erforderliche Zeitmoment der Verwirkung auslösen. Dies gilt jedoch nur, wenn dabei weitere Umstände hinzu treten, die das Vertrauen beim Arbeitgeber erzeugen, der Arbeitnehmer werde gegen eine Kündigung nicht mehr vorgehen.
2. Nimmt der Arbeitnehmer nach erfolgter, arbeitgeberseitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Frist und Form an Erörterungen zum danach erfolgenden Betriebsübergang teil, die zwischen dem bisherigen Inhaber des Ladengeschäfts und dem neuen Inhaber – einem Verwandten ersten Grades des Arbeitnehmers – stattfinden, und fordert er im Ergebnis diese Erörterungen ohne weitere Hinweise seine Arbeitspapiere, so entsteht beim Arbeitgeber das begründete Vertrauen, der Arbeitnehmer werde sich nicht der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzen.
3. Beruft sich ein Arbeitnehmer auf die fehlende Textform in Bezug auf die Unterrichtspflicht des bisherigen und des neuen Inhabers zum Betriebsübergang, weil dadurch die Frist für sein Widerspruchsrecht nicht zu laufen beginnt, so kann neben einem Zeitmoment der Umstand der vollständigen Kenntnis des Übergangs dazu fuhren, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts treuwidrig ist.
Normenkette
KSchG § 4; BGB § 613a Abs. 5-6
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen 6 Ca 3587/04) |
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 10.11.2004 – Az.: 6 Ca 3587/04 – wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Berufung trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach einer mündlichen und einer schriftlichen Kündigung sowie um Vergütung aus Annahmeverzug.
Die 1950 geborene Klägerin war zunächst seit dem 01.05.2001 bei der Beklagten, die ein Ladengeschäft betrieb, beschäftigt. Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis im Jahre 2002 mit einer mündlichen Vereinbarung aufgehoben worden ist. Jedenfalls war die Klägerin zuletzt als Aushilfskraft für sechzehn Stunden im Monat bei einem Entgelt von 60,00 EUR beschäftigt. Diese Vergütung wurde pauschal versteuert. Die Klägerin war weisungsgebunden. Die Beklagte meldete die Klägerin sozialversicherungsrechtlich an.
Am 01.09.2003 teilte die Beklagte im Zuge eines Telefonats der Klägerin mit, dass sie ihr Ladengeschäft aufgeben wolle. Zugleich sprach sie eine Kündigung mit sofortiger Wirkung aus. Der der Klägerin bekannte Hintergrund hierfür war, dass die Beklagte das Ladengeschäft auf die Tochter der Klägerin übertragen wollte. Die Klägerin erbrachte daraufhin keine Arbeitsleistungen mehr und erschien nur noch Ende September 2003 zusammen mit ihrer Tochter im Ladengeschäft der Beklagten, um die Fragen der Geschäftsübernahme zu besprechen. Nach Beendigung des inhaltlich streitigen Gespräches nahm die Klägerin ihre im Ladengeschäft befindlichen persönlichen Sachen und forderte die Beklagte auf, ein Zeugnis zu erteilen.
Das Ladengeschäft wurde zum 01. Oktober 2003 auf die Tochter der Klägerin übertragen. Danach führte die Tochter der Klägerin den Laden. Zwischen dieser und der Beklagten entbrannte in der Folge ein Streit über die Modalitäten der Geschäftsübernahme. Dieser wurde jedoch später einvernehmlich beigelegt.
Mit der danach durch die Klägerin erhobenen Klage vom 17.12.2003, die auch am 17.12.2003 per Fax und am 22.12.2003 in Urschrift eingegangen ist, wehrte sich die Klägerin gegen die mündliche Kündigung. Zunächst stritten die Parteien über die erfolgte Rechtswegbeschreitung. Mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 23.06.2004 des Arbeitsgerichts Schwerin (Az.: 6 Ca 3587/03) wurde der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wegen der Doppelrelevanz des Arbeitnehmerstatusses der Klägerin (sogenannt sie non – Fall) bejaht.
Mit Schreiben vom 30.01.2004, welches der Klägerin am 31.01.2004 zugegangen ist, sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Auch hiergegen wehrte sich die Klägerin mit ihrer Klageerweiterung vom 05.02.2004, die beim Arbeitsgericht Schwerin am 10.02.2004 eingegangen ist. Außerdem machte die Klägerin den der Höhe nach unstreitigen entgangenen Verdienst geltend.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die nachgeschobene außerordentliche schriftliche Kündigung gäbe es keinen Grund.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mündliche Kündigung der Beklagten vom 01.09.2003 nicht beendet wird.
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 30.01.2004 zum Ablauf des 29.02.2004 endet.
- Die Beklagte zu verurteile...