Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens aus einem Arbeitszeitkonto und Urlaubsabgeltungsansprüche im Falle dauerhaften Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs entsteht im Falle der dauerhaften Erkrankung des Arbeitnehmers über einen Übertragungs- und Verfallszeitpunkt hinaus, welche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortdauert als reiner Geldanspruch. Hiervon sind auch tarifvertragliche und einzelvertragliche Ansprüche umfasst, soweit der Tarifvertrag und Einzelvertrag keine gesonderten Verfallsregelungen enthalten (Anschluss an BAG, Urteil vom 04.05.2010, 9 AZR 183/09).
Soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber regelmäßig über den Stand eines Arbeitszeitkontos des Arbeitnehmers und anderer Arbeitnehmer abrechnet, gilt ein Arbeitszeitkonto zumindest als konkludent vereinbart. In diesem Fall bedarf es, soweit der von der Arbeitgeberseitige Saldenstand geltend gemacht wird nicht einer arbeitnehmerseitigen Darlegung, dass die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden auf Anordnung oder mit Duldung und Billigung des Arbeitgebers geleistet wurden (Anschluss an BAG, Urteil vom 23.09.2013, 5 AZR 767/13).
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, §§ 133, 157; BUrlG §§ 1, 3-4, 7 Abs. 2; BGB § 611a Abs. 2; BUrlG § 7 Abs. 3-4
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 04.01.2018; Aktenzeichen 5 Ca 743/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 04.01.2018 (5 Ca 743/17) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses um Ansprüche auf Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens aus einem Arbeitszeitkonto sowie um Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2016 und 2017. Die Klägerin ist bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Basis eines Arbeitsvertrages vom 03.07.1995 als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 56 der Akte verwiesen. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der für den Beschäftigungsort regional geltende Manteltarifvertrag sowie der entsprechend regional geltende Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeugs-, Handwerks-, Handels- und Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil des Vertrages sind. Im Jahre 2013 kam es zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte, anlässlich dessen die Parteien eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag abschlossen. Nach dieser Änderungsvereinbarung sollen die bei der Betriebsübernahme gültigen Tarifverträge mit dem Stand des Betriebsüberganges dauerhaft statisch fortgelten (Bl. 59 der Akte).
Im September 2015 erkrankte die Klägerin langfristig und durchgängig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2017 zum 30.04.2017. Im Kündigungsschreiben vom 17.03.2017 forderte die Klägerin die Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsabgeltungsansprüche sowie die Auszahlung von "Mehrarbeitsstunden". Der Klägerin war es krankheitsbedingt nicht möglich, den Jahresurlaub für 2016 sowie den anteiligen Jahresurlaub für 2017 in natura zu nehmen. Der Manteltarifvertrag für das Kraftfahrzeughandwerk, abgeschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsche Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste für Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Januar 2008 sieht in § 9 für Arbeitnehmer einen Jahresurlaub von 29 Arbeitstagen vor. Weiter sieht der Tarifvertrag ein zusätzliches Urlaubsgeld vor (§ 10 Manteltarifvertrag). Der Tarifvertrag sieht weiter eine Arbeitszeit ohne Pausen an fünf Werktagen von 37,5 Stunden je Woche vor (§ 3 Ziff. 1 a des Manteltarifvertrages).
Die Klägerin erhielt regelmäßig von ihrer Vorgesetzten, zuletzt von Frau Y. G., einen Ausdruck in Form eines Auszugs aus dem Arbeitszeitkonto überreicht. Dieser Stundenauszug führt für die Klägerin sowie weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein jeweiliges Stundensaldo auf und schließt basierend auf dem als Anlage K 3 (Blatt 7 der Akte) vorgelegten Ausdruck mit einem Plus-Saldo von 68,95 Stunden. Die Klägerin hat regelmäßig 40 Stunden die Woche gearbeitet. Weiterhin hat die Klägerin mindestens einmal monatlich an einem Samstag zusätzlich gearbeitet. Die Klägerin erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von 2.027,96 € (Blatt 2 der Akte). In den Abrechnungen der Klägerin ist regelmäßig ein Urlaubsanspruch von 29 Tagen vermerkt.
Mit der am 18.05.2017 zugestellten Klage begehrte die Klägerin in der ersten Instanz 3.650,40 € Urlaubsabgeltung (berechnet auf Basis von 29 Urlaubstagen für das Jahr 2016 und 10 Urlaubstagen für das Jahr 2017 bei 40 Wochenstunden, verteilt über fünf Arbeitstage, was einen Betrag von 11,70 die Stunde ergibt). Weiterhin begehrte die Klägerin erstinstanzlich die Vergütung von 80,95 € Mehrarbeitsstunden, welche zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis im Arbeitszeitkonto vorhanden waren, i...