Entscheidungsstichwort (Thema)

Heilung eines Zustellungsmangels bei Parteizustellung durch nachträgliche Kenntnisnahme des Prozessbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Wird trotz Bestellung einer Prozessbevollmächtigten ein Urteil an die Partei persönlich zugestellt, so wird dieser Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO im Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme durch die Prozessbevollmächtigte geheilt.

 

Normenkette

ZPO §§ 79, 172, 189

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 26.07.2018; Aktenzeichen 11 Ca 563/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 26.07.2018 - 11 Ca 563/13 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

In der Sache streiten die Parteien um die dynamische Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Deutschland und in diesem Zusammenhang über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin. In der Berufungsinstanz sind die Parteien außerdem unterschiedlicher Auffassung im Hinblick auf die fristgemäße Einlegung der Berufung.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin Zahlungsansprüche nach der Entgeltgruppe 8 sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 und die Zahlung einer Verzugslohnpauschale geltend.

Mit Datum vom 05.07.2016 ist Frau M. A. im Hinblick auf zahlreiche laufende Eingruppierungsverfahren - auch das der Klägerin - durch den Geschäftsführer der Beklagten einer "Vollmacht" mit folgendem Inhalt erteilt und bei dem erstinstanzlichen Gericht hinterlegt worden:

VOLLMACHT

Hiermit erteile ich, Geschäftsführer der

C.,

Herr M. E.,

Frau M. A.

Für sämtliche Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht Neubrandenburg und dem Arbeitsgericht Stralsund Prozessvollmacht.

Des Weiteren ist Frau A. zum Abschluss von Vergleichen berechtigt.

B-Stadt, den 05.07.2016

Unterschrift

Eine weitere und weitgehend inhaltsgleiche Vollmacht ist Herrn Dr. H. S. mit der Anschrift der Beklagten und unter der Angabe "Korrespondenzadresse: A. Gruppe, B. P., Z." erteilt und ebenfalls bei dem erstinstanzlichen Gericht hinterlegt worden. Beide Bevollmächtigte sind nicht unmittelbar arbeitsvertraglich mit der Beklagten verbunden. Der Arbeitsvertrag von Frau A. mit der Tätigkeit als "Standortreferentin Personal" besteht mit der ebenso wie die Beklagte konzernangehörigen A. Krankenhausgesellschaft Vorpommern GmbH. Bei Herrn Dr. S. handelt es sich um den Justiziar des Konzerns mit Sitz in Z..

Das Verwaltungsgebäude in der C-Straße, B-Stadt beheimatet sowohl die Beklagte, als auch die ebenfalls konzernangehörige A. Krankenhausgesellschaft Vorpommern GmbH (künftig A.). In ihrer Funktion als "Standortreferentin Personal" ist Frau A. sowohl für A., als auch für die Beklagte tätig.

Die Bearbeitung des Posteinganges bei der Beklagten und auch bei A. ist in der Weise organisiert, dass die an die Beklagte und an A. gerichtete Post grundsätzlich - von Ausnahmen abgesehen - nicht in dem Verwaltungsgebäude, sondern an der Rezeption des davorliegenden Krankenhausgebäudes abgegeben wird. Dort wird die Post von der Sekretärin der Geschäftsführung (diese Person ist identisch für die Beklagte und für A.) abgeholt und in die Büroräumlichkeiten (Verwaltungsgebäude) verbracht, dort geöffnet und von der Geschäftsführung an die jeweils zuständigen Mitarbeiterinnen durch Verfügung weitergeleitet. Der Arbeitsplatz von Frau A. befindet sich ebenfalls in dem Verwaltungsgebäude. Die geschilderte Posteingangsbearbeitung ist nach Vollmachterteilung für Frau A. unverändert beibehalten worden. Auch im Ausnahmefall der persönlichen Zustellung an einen Mitarbeiter in dem Verwaltungsgebäude durch einen Mitarbeiter der Post läuft die Postbearbeitung in der Weise ab, dass diese Post zunächst im Sekretariat der Geschäftsführung aufläuft, um von dort aus an den entsprechenden Mitarbeiter weiterverfügt zu werden. Eine persönliche Zustellung an den adressierten Mitarbeiter erfolgt nicht.

Alle zustellungspflichtigen Schriftstücke in diesem Verfahren sind erstinstanzlich trotz der vorliegenden Vollmachten an die Beklagte direkt unter der Anschrift C-Straße, B-Stadt zugestellt worden, ohne dass die Beklagte diese Vorgehensweise in diesem Verfahren beanstandet hat.

Mit Urteil vom 26.07.2018 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das Urteil ist mit Zustellungsurkunde der Beklagten (C., Geschäftsführer M. E., ..., C-Straße, B-Stadt) am 03.08.2018 (Freitag) zugestellt worden.

In der Zeit vom 06.08.2018 (Montag) bis zum 20.08.2018 befand sich Frau A. im Urlaub. Am 12.10.2018 übersandte Frau A. folgende Mail an Dr. S.:

Sehr geehrter Herr Dr. S.,

anliegend übersende ich Ihnen die in der Einrichtung eingegangenen und mir nunmehr nach meinem Urlaub vorgelegten Urteile in den Verfahren

W. 11 Ca 955/13

S. 11 Ca 563/13

S. 11 Ca 28/16

Wir möchten die Entscheidungen anfechten.

Vielen Dank im Voraus.

Beste Grüße

M. A.

Standortreferentin Personal

A. Krankenhausgesellschaft Vorpommern...

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