Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaub. Teilzeitarbeit. Teilzeitquote. Urlaubsentgelt. Alturlaub. Berechnung des Urlaubsentgelts im Sinne von §§ 21, 26 TV-L nach Verringerung der Teilzeitquote ohne Veränderung der Anzahl der Arbeitstage in der Woche
Leitsatz (amtlich)
1. In europarechtskonformer Auslegung von §§ 21, 26 TV-L hat ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst des Landes Anspruch darauf, dass bei der Berechnung seines Urlaubsentgelts die höhere Teilzeitquote zu Grunde gelegt wird, nach der er in dem Jahr bzw. in den Monaten, in denen der Anspruch erworben wurde, gearbeitet hat. Paragraph 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung (Diskriminierungsverbot bei Teilzeitbeschäftigung), ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der bei einer Verringerung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann (grundlegend EuGH 22. April 2010 - C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols - ABl. EU 2010, Nr. C 161, 9 = NZA 2010, 557 = AP Nr. 1 zu Richtlinie 97/81/EG).
2. Nach dem - insoweit maßgeblichen - Rechtsverständnis des Gerichtshofs baut der Entgeltanspruch für Urlaubstage auf dem Einkommen auf, das die Beschäftigten in der Zeit erzielen, in der der Urlaubsanspruch entsteht. Der Gerichtshof hat zur Verdeutlichung mehrfach betont, dass das Entgelt, das ein Beschäftigter für die Urlaubstage zu beanspruche habe, keinerlei Verbindung mit dem Entgelt habe, das der Beschäftigte in dem Zeitraum der Urlaubsgewährung für seine Arbeit erhalte (EuGH 22. April 2010 - C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols - ABl. EU 2010, Nr. C 161, 9 = NZA 2010, 557 = AP Nr. 1 zu Richtlinie 97/81/EG; EuGH 11. November 2015 - C-219/14 - Greenfield - ABl. EU 2016, Nr. C 16,9 = NZA 2015, 1501 = AP Nr. 17 zu Richtlinie 2003/88/EG; EuGH 13. Juni 2013 - C-415/12 - Brandes - ABl. EU 2013, Nr. C 225, 50 = NZA 2013, 775 = AP Nr. 12 zu Richtlinie 2003/88/EG). Der Gerichtshof verwendet dafür das Bild der nachgeholten Ruhezeit. Urlaub ist nach diesem Verständnis eine besondere Form der Ruhezeit, die sich dadurch auszeichnet, dass sie angespart werden kann und - im Gegensatz zum Wochenende als klassischer Ruhezeit - vergütungspflichtig ist.
Normenkette
TV-L §§ 21, 26
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 17.01.2017; Aktenzeichen 11 Ca 330/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Unter überwiegender Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 17. Januar 2017 (11 Ca 330/16) wird das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 2.138,17 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.907,07 Euro brutto seit dem 18. Januar 2016 und aus weiteren 234,10 Euro brutto seit dem 26. November 2016 zu zahlen.
2. Im darüber hinausgehenden Umfang wird die klägerische Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Bemessung des Urlaubsentgelts bei Verringerung der Teilzeitquote im Arbeitsverhältnis.
Die schwerbehinderte Klägerin ist seit 2001 Beschäftigte des beklagten Landes im Geschäftsbereich des Finanzministeriums. Auf das Arbeitsverhältnis findet zumindest auch aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin hat in den streitentscheidenden Jahren 2014 bis 2016 Entgelt aus der Entgeltgruppe E 6 Stufe 5 TV-L erhalten.
Eine vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin hat nach § 6 Absatz 1 Buchst. c) TV-L im Tarifgebiet Ost - hier zutreffend - eine Arbeitspflicht von 40 Stunden in der Woche. Die Klägerin war ursprünglich vollzeitbeschäftigt. Für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. Juli 2015 bestand zwischen den Parteien ein Teilzeitarbeitsverhältnis im Umfang von 35 Wochenarbeitsstunden. Die Arbeitszeit war weiterhin auf 5 Arbeitstage verteilt.
Die Klägerin war sodann vom 27. Mai 2014 bis zum 7. August 2015 arbeitsunfähig erkrankt. Während dieser Zeit hat die Klägerin Erwerbsminderungsrente bei der Rentenversicherung beantragt und bewilligt bekommen. Auf Antrag der Klägerin wird sie vom beklagten Land nach § 33 Absatz 3 TV-L weiterbeschäftigt. Entsprechend ihres Restleistungsvermögens haben die Parteien mit Wirkung ab 1. August 2015 ein Teilzeitarbeitsverhältnis nun im Umfang von 20 Wochenarbeitsstunden begründet. An der Verteilung der Arbeitszeit auf die 5 Arbeitstage der Woche hat sich dadurch nichts verändert.
Aus der Zeit der Teilzeitarbeit mit 35 Stunden in der Woche war zu...