Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag bereits bei Überschreiten der individuell vereinbarten Jahresarbeitszeit. Berücksichtigung von auf Urlaub oder Krankheit beruhenden Ausfallzeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. § 7 Abs. 1a des seit dem 01.01.2014 gültigen MTV Einzelhandel Mecklenburg-Vorpommern ist dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift auch für Arbeitszeitregelungen nach § 5 Abs. 2 MTV, also für solche gilt, die sich aus Vereinbarungen ergeben.
2. Im Übrigen ist tarifliche Voraussetzung zur Zahlung des Mehrarbeitszuschlages nicht das Überschreiten der bei Vollzeitbeschäftigung tariflich vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche, sondern entscheidend ist, ob die individuell vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird, weil die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten führen würde, die nicht im Einklang mit gesetzlichen Vorschriften steht.
Normenkette
BGB § 611a; MTV §§ 5, 7 Abs. 1a
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 16.09.2020; Aktenzeichen 5 Ca 1167/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.09.2020 zum Aktenzeichen 5 Ca 1167/19 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zum Ausgleich von 28,5 Stunden insgesamt 421,80 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2019.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ab welcher Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigten bei der Beklagten Mehrarbeitszuschläge zustehen, ob dies bereits bei Überschreitung der individuell vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit der Fall ist oder erst bei Überschreiten der tariflich vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit, sowie um die Frage, ob für die Überschreitung des Schwellenwertes zum Erhalt eines Mehrarbeitszuschlags eine tatsächliche Arbeitsleistung während der zur Grunde liegenden Arbeitszeit erforderlich ist, um bei Berechnung der mehrarbeitszuschlagspflichtigen Zeit Berücksichtigung finden zu können oder ob auch Zeiten der Abwesenheit von der Arbeit wie z. B. Urlaubs-, Krankheits-, Feiertagszeiten in die Berechnung der Arbeitszeit einfließen.
Die Beklagte betreibt ein Handelsunternehmen. Die Klägerin war in deren R-Stadt Filiale seit dem 01.08.2015 als "Sales-Advisor" gem. schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage K 1, Bl. 5 ff d. A.) beschäftigt. Gem. § 2 des Arbeitsvertrages ist eine Jahresarbeitszeit von 1560 Stunden vereinbart, woraus sich eine durchschnittliche Arbeitszeit von 30 Wochenstunden ergibt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung und einzelvertraglicher Bezugnahme die jeweiligen Tarifverträge des Einzelhandels, insbesondere der seit dem 01.01.2014 gültige MTV Einzelhandel Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: MTV) Anwendung. In diesem sind unter anderem folgende Regelungen enthalten:
"§ 3 Teilzeitarbeit
1. Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer, deren vertraglich vereinbarte Arbeitszeit die regelmäßig tarifliche Wochenarbeitszeit gem. § 5 Ziffer 1 und 2 unterschreitet.
.....
5. Teilzeitbeschäftigte, die auf Veranlassung des Arbeitgebers in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.09. eines Kalenderjahres in einem Zeitraum von 26 Kalenderwochen durchschnittlich 25 % oder mehr über die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten, haben auf ihren Wunsch hin Anspruch auf einen die tatsächliche Arbeitszeit ausweisenden Arbeitsvertrag.
Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, mit denen unterschiedliche Arbeitszeiten im Verlauf eines Kalenderjahres vereinbart sind (z.B. Jahresarbeitsvertrag).
.....
6. Abweichende Betriebsvereinbarungen sind zulässig.
.....
§ 5 Arbeitszeit
1. Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt 39 Stunden. Das gilt auch für Jugendliche.
Abweichend hiervon kann durch Betriebsvereinbarung oder in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelvereinbarung eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden vereinbart werden. In diesem Fall ist die über 39 Stunden hinausgehende Arbeitszeit von wöchentlich bis zu einer Stunde zuschlagsfrei zusätzlich zu vergüten.
.....
2. Andere Arbeitszeitregelungen können durch Betriebsvereinbarung oder in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelarbeitsvertrag getroffen werden. Voraussetzung ist, dass im Durchschnitt von bis zu 52 Wochen die nach Ziffer 1 maßgebliche wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten und bei Verteilung auf die Wochentage - außer bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe - ein arbeitsfreier Werktag pro Woche gewährt wird. Fällt in die Woche ein gesetzlicher Feiertag, so ist der freie Tag nach den gleichen Grundsätzen festzulegen, wie in Wochen ohne Feiertag.
......
§ 7 Entgeltzuschläge
1. Zum tariflichen Entgelt sind in folgenden Fällen Zuschläge zu zahlen:
a) 25 % für Arbeitszeiten, die über d...