Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifgeltung bei Betriebsübergang. Auslegung einer Bezugnahmeklausel. Anwendbarkeit des Umsetzungs-Tarifvertrages der Vivento Customer Services GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

Die vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt zu dessen einzelvertraglicher Geltung, an der sich durch einen Betriebsübergang wegen § 613 Absatz 1 Satz 1 BGB nichts ändert. Ein beim Betriebserwerber geltender Tarifvertrag steht der vertraglichen Weitergeltung nicht entgegen. Dies gilt auch, wenn kein Branchenwechsel vorliegt (insoweit Fortführung von BAG vom 17.11.2010, 4 AZR 391/09).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 313

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 1 Ca 564/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.12.2012; Aktenzeichen 4 AZR 328/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 11.05.2010 – 1 Ca 564/10 – wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto 140 Stunden gutzuschreiben.
  2. Es wird festgestellt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 34 Wochenstunden beträgt.
  3. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Stand 01.09.2007, Anwendung finden.
  4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 95 Prozent, der Kläger zu 5 Prozent.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

In dem unstreitigen Tatbestand des Arbeitsgerichts Schwerin heißt es zum Sachverhalt unter anderem wie folgt:

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG/Stand 01.09.2007 auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis und in diesem Zusammenhang über Zahlungsansprüche und die Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto.

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern seit dem 01.09.1989 zu einem Bruttogehalt von zuletzt 2.894,47 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt.

Der Kläger nahm sein Arbeitsverhältnis zum 16.02.1992 beim Fernmeldeamt Sxxx mit Arbeitsvertrag vom 14.02.1992 auf (Anlage K2 zur Klagschrift vom 14.07.2009). In dem Arbeitsvertrag vom 14.02.1992 ist unter 2. geregelt:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten

  • der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet oder
  • der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet

in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV Ang-O oder dem des TV Arb-O ergibt sich in Anwendung des § 1 TV Ang-O bzw. des § 1 TV Arb-O aus der jeweils ausgeübten Tätigkeit.”

Nachfolgend ist das Arbeitsverhältnis auf die Deutsche Telekom AG übergegangen. Auf das Arbeitsverhältnis wurden die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit v. angewandt. Zum 01.09.2007 fand ein Betriebsübergang auf die Vxxx Cxxx Sxxx GmbH (VCS), einer Tochter der Deutschen Telekom AG, statt. Der Kläger widersprach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht.

Für die Vxxx Cxxx Sxxx GmbH gilt der Umsetzungs-Tarifvertrag für Vxxx Cxxx Sxxx GmbH & Co. KG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (v.) vom 01. März 2004 (UTV). Nach diesem Tarifvertrag beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden.

Ein Betriebsübergang auf die Beklagte fand am 01.03.2008 statt. Der Kläger machte von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch.

Die Beklagte selbst ist nicht tarifgebunden. Der am 01.12.1972 geborene Kläger ist seit seinem 16. Lebensjahr Mitglied der Gewerkschaft v..

Der Kläger hatte erstinstanzlich beantragt.

  1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto 140 Stunden gutzuschreiben;
  2. festzustellen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 34 Wochenstunden beträgt;
  3. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die Bestimmungen der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG/Stand 01.09.2007 Anwendung finden;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 768,25 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Klage sei zulässig. Dies beziehe sich auch auf die Feststellungsanträge. Die Klage sei unbegründet. Ab dem Betriebsübergang seit dem 01.09.2007 auf die VCS finde nur noch der Umsetzungs-Tarifvertrag für Vxxx Cxxx Sxxx GmbH & Co. KG (VCS) – UTV Anwendung. Da das Arbeitsverhältnis entsprechend diesen Bestimmungen durchgeführt werde, bestehen keine darüber hinausgehenden Ansprüche des Klägers.

Die Anwendbarkeit des UTV folge aus der einzelvertraglichen Regelung unter Ziffer 2 des Arbeitsvertrages. Diese Bezugnahme erfasse nicht nur alle Tarifverträge, die den TV Arb bzw. TV Ang funktionsgleich ersetzen, sondern die Parteien wollten mit...

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