Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesensmerkmale der Arbeitnehmerüberlassung. Keine Arbeitnehmerüberlassung bei Entsendung in einen Gemeinschaftsbetrieb. Merkmale eines Gemeinschaftsbetriebes. Gestellung von Leitungspersonal und Beteiligung an der Personalleitung als Indizien für eine gemeinsame Führung des Gemeinschaftsbetriebes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Arbeitnehmerüberlassung ist von einer Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem gemeinsamen Betrieb zu unterscheiden. Um Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich nicht, wenn die Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben.
2. Kennzeichen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen ist, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben.
3. Für eine gemeinsame Führung spricht es, wenn die an einer ambulanten Dialyseeinrichtung beteiligten Unternehmen wechselseitig Personal einschließlich Leitungspersonal stellen und zu einem erheblichen Anteil an der Personalleitung beteiligt sind bzw. wesentliche Entscheidungen gegenseitig abzustimmen sind.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 4 S. 1, § 13; GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 25.05.2016; Aktenzeichen 3 Ca 467/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 25.05.2016 - 3 Ca 467/15 - wird zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die bei der Beklagten zu 2) angestellte Klägerin im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei dem Beklagten zu 1) tätig geworden und nach den bei ihm geltenden Tarifverträgen zu vergüten ist.
Die 1957 geborene Klägerin nahm zum 16.02.1976 eine Beschäftigung als Krankenschwester in der medizinischen Klinik der Universität B-Stadt auf. Das Universitätsklinikum versorgt nierenkranke Patienten stationär, was ggf. erforderliche Dialysen einschließt. Die Universität B-Stadt und der Beklagte zu 1) gründeten im Jahr 1992 für die ambulante Versorgung von Dialysepatienten das Nierenzentrum B-Stadt. Der Beklagte zu 1) ist ein gemeinnütziger Verein, der in Deutschland rund 200 Nierenzentren zur ausschließlich ambulanten Versorgung von chronisch Nierenkranken unterhält und mehr als 5.000 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Klägerin ist seit Mai 1994 ausschließlich im Nierenzentrum B-Stadt eingesetzt und dort mit der ambulanten Versorgung von Dialysepatienten betraut. Mit Ausgliederung der Universitätsmedizin übernahm später die Beklagte zu 2) das Arbeitsverhältnis der Klägerin.
Die Beklagten haben ihre Zusammenarbeit in den zuletzt geschlossenen Vereinbarungen vom 28.09./05.10.2009 wie folgt ausgestaltet:
"...
K O O P E R A T I O N S V E R E I N B A R U N G
...
P r ä a m b e l
Im Zentrum für Innere Medizin, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A des Universitätsklinikums B-Stadt besteht für Patienten mit Nierenkrankheiten das Angebot einer vollständigen Diagnostik sowie der Behandlung von Niereninsuffizienz einschließlich der unterschiedlichen Formen der Nierenersatzbehandlung.
Das KfH versorgt entsprechend seiner Satzung sowie auf der Grundlage seines Versorgungsauftrages gemäß den Bundesmantelverträgen für Ärzte in über 200 Nierenzentren chronisch nierenkranke Patienten. Die gesamte Tätigkeit des KfH dient gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken. Im KfH-Nierenzentrum in B-Stadt stellt das KfH auf der Grundlage seines Versorgungsauftrages in der vertragsärztlichen Versorgung nach Anlage 9.1 Bundesmantelverträge sowie nach §§ 126 Abs. 3 und 127 SGB V die Versorgung nierenkranker Patienten sicher.
Das Universitätsklinikum und das KfH sehen sich für die Sicherstellung der Versorgung der nephrologischen Patienten in der Region gemeinsam verantwortlich und schließen diesen Vertrag mit dem Ziel einer optimalen Versorgung dieser Patienten.
§ 1
Kooperationsinhalte
(1) Das Universitätsklinikum überlässt dem KfH das für den Betrieb des Nieren-zentrums erforderliche Grundstück im Rahmen des gesonderten Pachtvertrages vom 1. Oktober 1992 und versorgt das Nierenzentrum mit weiteren Leistungen, wie z. B. Strom, Wäsche etc.
(2) Die Betreuung der Patienten des KfH wird von Ärzten des KfH (und ggf. Pflegekräften des KfH) und Ärzten und Pflegekräften des Universitätsklinikums gemeinsam wahrgenommen. Die Gestellung und Kostenerstattung des Personals des Universitätsklinikums an das KfH regeln separate Personalgestellungsverträge für ärztliches und nichtärztliches Personal.
(3) Die ärztliche Leitung des KfH-Nierenzentrums, sofern au...