Entscheidungsstichwort (Thema)

TV-Ärzte/VKA. Eingruppierung. Tarifauslegung. Oberarzt. Funktionsoberarzt. Titularoberarzt. selbstständiger Teilbereich. Eingruppierung eines Oberarztes nach dem TV-Ärzte/VKA

 

Leitsatz (amtlich)

1. Oberärzte werden in die EntgGr. III TV-Ärzte/VKA eingruppiert, wenn ihnen u.a. die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche übertragen worden sind. Die alternativ nebeneinanderstehenden Tarifmerkmale „Teilbereich” und „Funktionsbereich” müssen in qualitativer Hinsicht gleichwertig sein.

2. Ein qualitativ gleichwertiger „selbstständiger Teilbereich” liegt dann vor, wenn es sich um eine organisatorisch abgrenzbare Einheit innerhalb einer übergeordneten Einrichtung handelt, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung zugeordnet ist und ihr nichtärztliches sowie ärztliches Personal angehört.

3. Bei der Auslegung des Begriffs „selbstständiger Teilbereich” ist zu berücksichtigen, dass der Begriff des Oberarztes zwar in der bisherigen Tarifsystematik des BAT keinen Eingang gefunden hat, es gleichwohl auch schon vor der Einführung des TV-Ärzte/VKA sowohl den Begriff als auch die Tätigkeit eines Oberarztes gab. Neben der reinen, die Hierarchieebene kennzeichnende Verleihung des Titels kam der Ernennung zum Oberarzt i. d. R. auch eine inhaltliche, die ärztliche Tätigkeit prägende Bedeutung zu. Der Oberarzt verfügte danach regelmäßig über eine abgeschlossene Facharztausbildung und eine entsprechende Berufserfahrung, er übernahm die medizinische Verantwortung für eine oder mehrere Stationen oder sonstige Einrichtungen sowie die Anleitung, Kontrolle und Weiterbildung von Assistenzärzten und leistete Rufbereitschaften zur Rückendeckung des assistenzärztlichen Bereitschaftsdienstes. Ein Oberarzt, der diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht nur sogenannter Titularoberarzt, sondern trägt die medizinische Verantwortung für einen „selbstständigen Teilbereich” i. S. v. § 16 c) TV-Ärzte/VKA.

 

Normenkette

TVG § 1; TV-Ärzte/VKA § 16c

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 20.06.2008; Aktenzeichen öD 4 Ca 298 d/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 20. Juni 2008, Az.: öD 4 Ca 298 d/08, wird zugewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers.

Der 57-jährige Kläger ist Facharzt für Urologie und bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.08.1991 in dem Kreiskrankenhaus R. als sogenannter „Funktionsoberarzt” in der urologischen Klinik beschäftigt (Bl. 7 f. d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (im Weiteren: TV-Ärzte/VKA) Anwendung. Die Beklagte vergütet den Kläger seit Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA, d.h. seit dem 01.08.2006, nach Entgeltgruppe (EntgGr.) II. Mit Schreiben vom 26.02.2007 widersprach der Kläger der Einstufung in EntgGr. II.

Zur Eingruppierung der Ärzte an kommunalen Krankenhäusern enthält § 16 TV-Ärzte/VKA folgende Regelungen:

§ 16 Eingruppierung. Ärztinnen und Ärzte sind wie folg eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/ Arzt

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/ Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollnotiz zu Buchst. b:

Fachärztin/ Facharzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, die/ der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/ seinem Fachgebiet tätig ist.

c) Entgeltgruppe III

Oberärztin/ Oberarzt

Protokollnotiz zu Buchst. c:

Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

d) Entgeltgruppe IV:

Leitende Oberärztin/ Leitender Oberarzt, ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die ständige Vertretung der leitenden Ärztin/ des leitenden Arztes (Chefärztin/ Chefarzt) vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

Protokollerklärung zu Buchst. d:

…”

Die Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA lautet wie folgt:

„Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung „Oberärztin/Oberarzt” führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte-VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.”

Die Klinik für Urologie wird von dem Chefarzt Dr. P. geleitet; dieser wird von dem leitenden Oberarzt Dr. H. vertreten, der nach EntgGr. IV TV-Ärzte/VKA vergütet wird. Die Klinik für Urologie besteht aus zwei Stationen. Zum einen gibt es die sogenannte Wahlleistungsstation Chirurgie mit fünf Betten (Privatpatienten), für die der Chefarzt verantwortlich ist. Daneben besteht die Großraumstation 34 mit 45 Betten; diese Großraumstation entstand Anfang 2006 durch Zusammenlegung der vormaligen Stationen 34 und 35. Die Groß...

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