Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs eines Arbeitnehmers im Krankheitsfall
Leitsatz (amtlich)
1.Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von 6 Wochen begrenzt. Dies gilt nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
2. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden.
3. Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine bisherige Erkrankung bei Eintritt der mit neuer Erstbescheinigung attestierten Arbeitsverhinderung keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an den ausgeschöpften 6-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Krankengeldbezug angeschlossen hat und der Arbeitnehmer in der Folge vom Arbeitgeber unter Vorlage einer neuen Erstbescheinigung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen einer sich unmittelbar an den Krankengeldbezug anschließenden Arbeitsverhinderung verlangt (BAG, Urteil vom 11.12.2019 - 5 AZR 505/18 - Rn. 16, juris).
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 13.12.2022; Aktenzeichen 2 Ca 154/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 13.12.2022 zum Aktenzeichen 2 Ca 154/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Klägerin war ab dem 13.06.2020 befristet bis zum 12.06.2022 bei der Beklagten als Servicekraft zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.800,00 € beschäftigt.
Ab dem 16.10.2021 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Es sind in polnischer Sprache abgefasste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Akte gereicht (Anlage K 3, Bl. 36 d.A., Anlage K 4, Bl. 37 d.A.). Die Bescheinigung vom 15.10.2021 weist eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 06.10.2021 - 07.11.2021 aus mit Ergänzung des Diagnoseschlüssels G54. Der Klägerin wurde eine Erkrankung an Nervenwurzeln und Nervenplexus bescheinigt. Die am 17.01.2022 erstellte Bescheinigung erstreckt sich auf den Zeitraum 17.01.2022 - 31.01.2022, weist handschriftlich ergänzt den Diagnoseschlüssel C-81 auf, bescheinigt ein Hodgkin-Lymphom.
Bereits mit Übergabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15.10.2021 hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich in onkologische Behandlung begeben müsse.
Mit Schreiben vom 22.03.2022 (Anlage K 5, Bl. 38, 39 d.A.) teilte die AOK Nordost der Beklagten u.a. mit, dass keine durchgehende, bzw. hinzugetretene Arbeitsunfähigkeit vorliege, für die Erkrankung ab dem 17.01.2022 ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch bis 27.02.2022 gegeben sei.
Nach erfolgloser Geltendmachung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs in Höhe von 2.551,20 € brutto mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 12.04.2022 verfolgt die Klägerin diesen Anspruch mit der der Beklagten am 08.08.2022 zugestellten Klage weiter.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde Entgeltfortzahlung, weil die ab dem 16.10.2022 Arbeitsunfähigkeit verursachende neurologische Erkrankung mit dem 16.01.2022 ausgeheilt gewesen sei. Die ärztliche Bescheinigung vom 16.01.2022 (Anlage K 8, Bl. 64 d.A.) bestätige, dass die neurologische Behandlung am 16.01.2022 beendet worden sei. Ab dem 17.01.2022 sei eine onkologische Erkrankung diagnostiziert worden.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, 2.491,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 13.04.2022 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den erhobenen Zahlungsanspruch mit der Begründung geleugnet, dass die Erkrankung, welche zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 17.01.2022 geführt habe, bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden habe, die Ausheilung der ersten, neurologischen Erkrankung nicht am Sonntag, den 16.01.2022, erfolgt gewesen sei. Die Klägerin sei vielmehr durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestehe kein Entgeltfortzahlungsanspruch für den Zeitraum 17.01.2022 - 27.02.2022, weil die Klägerin nicht habe darlegen können, dass die neue Erkrankung erst zu einem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit ausgelöst habe, zudem die vorangegangene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits beendet gewesen sei. Aufgrund des unmitt...