Entscheidungsstichwort (Thema)

Einmalige Zahlung der sechswöchigen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei zweiter Erkrankung während der ersten Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitnehmer muss beweisen, dass die erste Erkrankung beendet war, ehe es zu einer weiteren gekommen ist. Gelenkschmerzen und eine anschließende Grippe haben den Anschein eines einheitlichen Verhinderungsfalles.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 66 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 05.06.2019; Aktenzeichen 4 Ca 2070/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.06.2019 - 4 Ca 2070/18 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Klägerin ist seit dem 01.09.2012 bei der Beklagten als Back-Office Kraft im Callcenter am Standort B beschäftigt. Ihr monatliches Gehalt beträgt 2.200,00 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten der Arbeitsbedingungen wird auf den Anstellungsvertrag vom 01.09.2012 sowie die Verlängerungsvereinbarungen vom 01.03.2013 und 09.12.2013 verwiesen (Bl. 6 ff. d.A.).

Ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Bl. 17 ff. d.A.) war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt vom 25.01.2018 bis 09.02.2018 (ICD-10-Code: J06.9 G), vom 12.02.2018 bis 23.02.2018 (ICD-10-Code: A09.9 G), vom 26.02.2018 bis 09.03.2018 (ICD-10-Code: M77.9 G und M25.59 G), vom 12.03.2018 bis 20.03.2018 (ICD-10-Code: J11.G), vom 21.03.2018 bis 17.04.2018 (ICD-10-Code: M51.1 G), vom 18.04.2018 bis 27.04.2018 (ICD-10-Code: J06.9 G) sowie fortlaufend seit dem 30.04.2018 (ICD-10-Code: F 43.1 G).

Die Klägerin erhielt von der A Krankengeld für den Zeitraum 14.03.2018 bis 17.04.2018 sowie für die Zeit vom 30.04.2018 bis 10.06.2018. Die Beklagte zahlte an die Klägerin das Februargehalt 2018 in Höhe von 2.200,00 € brutto sowie anteilig das Märzgehalt bis 12.03.2018 in Höhe von 922,58 € brutto.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.06.2019 (Bl. 98 ff. d.A.) die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 12.03.2018 bis 22.04.2018, den 30.04.2018 sowie den Zeitraum 01.05.2018 bis 10.06.2018 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 5.687,98 € brutto abzüglich eines auf die A übergegangenen Betrages in Höhe 3.406,28 € nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei in den genannten Zeiträumen aufgrund verschiedener Erkrankungen arbeitsunfähig gewesen. Hinreichende Indizien für die Annahme eines einheitlichen Versicherungsfalles seien nicht gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 24.06.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.07.2019 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.09.2019 begründet.

Die Beklagte geht von einem einheitlichen Versicherungsfall aus. Die Klägerin sei durchgehend seit dem 25.01.2018 arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankheitsbilder seien nicht objektivierbar, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beruhten auf den subjektiven Angaben der Klägerin, so dass die Möglichkeit der Simulation bestehe. Zudem komme den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kein Beweiswert für die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.06.2019, AZ: 4 Ca 2070/18, dahin gehend abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Beklagte stütze sich auf allgemeine Mutmaßungen. Die Tatsache des Eintritts neuer Erkrankung werde durch die Vernehmung der behandelnden Ärzte unter Beweis gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 23.09.2019 und 23.10.2019, die Sitzungsniederschrift vom 08.07.2020 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass die neuen Erkrankungen erst zu einem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit ausgelöst haben, zu dem die vorangegangenen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen bereits beendet waren.

1. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach dem Grundsatz...

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