Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltung von Urlaub
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Die Freistellungserklärung ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. 2. Beruft sich der Arbeitgeber auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs, so muss er im Streitfall im Einzelnen darlegen und beweisen, dass er gegenüber dem Arbeitnehmer eine entsprechende Freistellungserklärung abgegeben hat und diese Erklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 10.05.2023; Aktenzeichen 11 Ca 8/23) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 10.05.2023 - 11 Ca 8/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Abgeltung von Urlaub.
Der im März 1989 geborene Beklagte nahm am 25.11.2020 bei dem Bruder der Klägerin, Herrn R. A., eine Beschäftigung als Friseur in dessen Barbershop auf. Der Arbeitsvertrag sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden bei einer monatlichen Bruttovergütung von € 1.000,00 vor. Dem Beklagten steht laut Arbeitsvertrag der gesetzliche Mindesturlaub von derzeit 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr zu, ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche. Das Monatsgehalt wurde in der Folgezeit auf € 1.020,00 brutto erhöht. Am 01.01.2022 ging das Arbeitsverhältnis des Beklagten im Wege des Betriebsübergangs auf die Schwester von Herrn A., die Klägerin, über.
Der Beklagte kündigte sein Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen zum 30.06.2022. Am 27.06.2022 überwies die Klägerin dem Beklagten als Lohn für Juni 2022 den sich aus € 1.020,00 brutto ergebenden Nettobetrag in Höhe von € 825,67. Der Beklagte sprach Herrn A., der weiterhin sein Ansprechpartner war, auf verschiedene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an. Hierzu hatte er auf einer DIN-A4-Seite untereinander Arbeitsstunden der Monate März bis einschließlich Juni 2022 notiert sowie die mit Fragezeichen versehenen Stichworte Urlaub und Wohnungsmiete. Zu den jeweiligen Stichworten des Beklagten fügte Herr A. seinerseits verschiedene Anmerkungen, Zahlen und Berechnungen hinzu, teils in arabischer, teils in deutscher Schreibweise. Hinter das Stichwort "Urlaub?" schrieb Herr A. die Zahl "10" und rechts davon in derselben Zeile "24 + 18 = 36 t =', in der Zeile darunter auf Arabisch das Wort "Urlaub" gefolgt von der Zahl "375 €". In den nachfolgenden Zeilen befinden sich noch weitere Zahlen und schließlich - jeweils umkreist - die arabischen Worte "Stunden für dich bei mir" und die Zahl "145'. Eine Unterschrift des Beklagten befindet sich nicht auf dem Papier.
Die dem Beklagten erteilte Lohnabrechnung vom 05.07.2022 weist eine "Überstundengrundvergütung" für 145,00 Stunden à € 9,82, also € 1.423,90 brutto aus. Der sich daraus ergebende Nettobetrag beläuft sich auf € 875,47. Diesen Nettobetrag erhielt der Beklagte per Überweisung unter dem Verwendungszweck "Überstunden" am 08.07.2022. Denselben Nettobetrag überwies die Klägerin versehentlich nochmals am 29.07.2022 unter dem Verwendungszweck "Lohn Juli", obwohl das Arbeitsverhältnis bereits am 30.06.2022 geendet hatte.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 875,47 zu zahlen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen und -widerklagend - die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten [zur Abgeltung von Überstunden] € 11.911,28 sowie [als Urlaubsabgeltung] € 1.178,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte und Widerkläger hat erstinstanzlich behauptet, dass er im Kalenderjahr 2021 insgesamt 1001 Überstunden und im Kalenderjahr 2022 insgesamt 359 Überstunden geleistet habe, zum Teil auch in Zeiträumen, in denen er krankgeschrieben gewesen sei. Darüber hinaus stehe ihm ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Umfang von 30 Tagen zu, da er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub erhalten habe. Die Urlaubsansprüche seien nicht verfallen, da die Klägerin ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht genügt habe. Ebenso wenig habe der Beklagte eine Urlaubsabgeltung erhalten. Ausgezahlt habe die Klägerin - wie sich aus der Abrechnung vom 05.07.2022 ergebe - lediglich eine Vergütung für 145 Überstunden.
Die Klägerin und Widerbeklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Sie hat behauptet, dass die vom Beklagten geleisteten Überstunden, sofern nicht durch Freizeit abgegolten, vollständig ausgezahlt worden seien. Das Arbeitszeitkonto sei ausgeglichen. Weitere Überstunden habe der Beklagte nicht geleistet. Den Urlaubsanspruch des Beklagten habe die Klägerin vollständig erfüllt bzw. ...