Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristete Drittmittelbeschäftigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Unbegründete Befristungskontrollklage bei fehlenden Anzeichen rechtsmissbräuchlicher Vertragsgestaltung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da sich nach dem Willen des Gesetzgebers eine Befristung wegen Drittmittelfinanzierung an sachgrundlose Befristungen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG (in der bis zum 16.03.2016 geltenden Fassung), die für maximal 12 Jahre zulässig sind, anschließen kann, lässt sich allein aus einer Beschäftigungsdauer von 12 Jahren in Drittmittelprojekten kein Rechtsmissbrauch herleiten.

2. Eine Gesamtbeschäftigungsdauer von 12 Jahren mit befristeten Verträgen in Drittmittelprojekten deutet auch dann nicht auf einen Rechtsmissbrauch hin, wenn die Parteien zuvor nicht oder nur teilweise die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG (a. F.) genutzt haben.

 

Normenkette

WissZeitVG § 2 Abs. 2, 1; BGB § 242; WissZeitVG § 2 Abs. 2 S. 1; TzBfG § 14 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 18.06.2015; Aktenzeichen 5 Ca 146/15)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 18.06.2015 - 5 Ca 146/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages nach dem WissZeitVG.

Der am 01.12.1961 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger schloss 1986 sein Studium an der Technischen Universität C. (Ukraine) als Dipl.-Ing. Maschinenbau ab. In den Jahren 2000 und 2002 war er zunächst im Rahmen von zwei Werkverträgen für die Hochschule C-Stadt tätig. Laut Werkvertrag vom 06.06.2000 hatte der Kläger den Auftrag, bis zum 15.02.2001 einen Untersuchungsbericht zur bauphysikalischen Analyse zum Algenbefall auf beschichteten Probekörpern anzufertigen. Gegen-stand des Werkvertrages vom 16.09./23.09.2002 waren Untersuchungen zum Nitratabbaugrad der Kompressen am Mauerwerk.

Am 10.09.2002 schlossen die Parteien mit Wirkung zum 05.09.2002 einen auf den 31.12.2002 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Drittmittelprojekt "Innovatives zum Benetzungswinkel - Screening biofilmbeeinflusster hydrophobierter Fassaden unter Einbeziehung neuer biozider Wirkstoffe" mit einer Arbeitszeit von 50/100 eines vollzeitbeschäftigten Angestellten (= 20 Wochenstunden) unter Bezugnahme auf den Befristungsgrund § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG. Nach dieser Vorschrift in der seinerzeit geltenden Fassung vom 16.02.2002, in Kraft getreten zum 23.02.2002, war die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, die nicht promoviert sind, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Auf diesen Vertrag folgten weitere, überwiegend auf § 57 b Abs. 1 HRG und später auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützte, befristete Verträge für - zum Teil parallel laufende - Projekte. Im Einzelnen gestaltete sich die Beschäftigung des Klägers wie folgt:

Vertragsdatum

Vertragslaufzeit

Arbeitszeitanteil

Projekt

10.09.2002

05.09.2002 bis 31.12.2002

50 v.H.

Innovatives zum Benetzungswinkel - Screening biofilmbeeinflusster hydrophobierter Fassaden unter Einbeziehung neuer biozider Wirkstoffe

27.11.2002

01.01.2003 bis 31.12.2003

18.12.2003

01.01.2004 bis 29.02.2004

50 v.H.

Algenbildung auf nachträglich wärmegedämmten Fassaden, insbesondere im Hinblick auf die Algenvermeidung

19.02.2004

01.03.2004 bis 30.04.2004

50 v.H.

Bio-Screening

22.04.2004

01.05.2004 bis 30.09.2004

50 v.H.

Wärmverbundsysteme

17.09.2004

15.09.2004 bis 31.12.2004

50 v.H.

EU-Projekt Erosion und Humidity

25.10.2004

01.10.2004 bis 31.12.2004

25 v.H.

Bauwerksdiagnostik-System

06.01.2005

01.01.2005 bis 31.03.2005

100 v.H.

EU-Projekt Erosion und Humidity

10.03.2005

01.04.2005 bis 14.09.2005

50 v.H.

18.04.2005

01.04.2005 bis 31.12.2005

50 v.H.

HWP-Projekt Feuchtetomografie

29.06.2005

Änderungsvertrag zur Arbeitszeit

ab 01.07.2005:

25 v.H.

ab 01.10.2005:

75 v.H.

29.08.2005

01.07.2005 bis 31.05.2008

ab 01.07.2005:

10 v.H.

ab 01.01.2006:

13,75 v.H.

ab 01.04.2006:

65 v.H.

INNO-Projekt FABIO-DANN

21.12.2005

01.01.2006 bis 31.03.2006

50 v.H.

HWP-Projekt Feuchtetomografie

07.09.2006

01.09.2006 bis 31.05.2008

25 v.H.

temp-VS

16.04.2008

01.06.2008 bis 30.09.2008

23.05.2008

01.06.2008 bis 30.09.2008

50 v.H.

Feuchtetomografie II

25.09.2008

01.10.2008 bis 31.08.2009

ab 01.10.2008:

30 v.H.

ab 01.01.2009:

20 v.H.

ALMO-NORD

25.09.2008

01.10.2008 bis 31.08.2009

ab 01.10.2008:

20 v.H.

ab 01.01.2009:

30 v.H.

temp-VS

10.08.2009

01.09.2009 bis 31.12.2009

7,5 v.H.

Quantitative Beurteilung der Rauheit bewitterter Baustoffoberflächen

10.08.2009

01.09.2009 bis 31.08.2012

50 v.H.

Biozidfreie biofilmreduzierende Fassadensysteme

Zum 01.09.2012 nahm der Kläger bei der Fa. R. GmbH in C-Stadt eine Vollzeitbeschäftigung als Entwicklungsingenieur für den Bereich Dämmungen an betriebstechnischen Anlagen im Rohrleitungsbau auf, die zunächst auf ein Jahr b...

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