Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verlust des Pfändungsschutzes bei nachträglicher Geltendmachung von rückständigen Gehaltsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

Die nachträgliche Geltendmachung von rückständigen Gehaltsansprüchen führt nicht zum Verlust des Pfändungsschutzes.

 

Normenkette

InsO § 36; ZPO §§ 850c, 850a

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 12.07.2018; Aktenzeichen 6 Ca 228/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 07.08.2018 - 6 Ca 228/18 - in Ziffer 9 des dortigen Tenors teilweise abgeändert und zur Klarstellung in soweit wie folgt neu gefasst:Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Januar 2016 einen Betrag in Höhe von 200,00 € brutto abzüglich eines Pfändungsabzuges in Höhe von 25,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Differenzvergütungsansprüche, sowie um die Zahlung einer Urlaubsabgeltung für - unstreitig - neun Urlaubstage.

Auf Eigenantrag der Klägerin vom 30.10.2013 ist über ihr Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 23.01.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt O. als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Die Klägerin hat einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 287 Abs. 1 InsO gestellt und dazu gem. § 287 Abs. 2 InsO ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter abgetreten.

Die seit 2014 geschiedene Klägerin lebt gemeinsam mit ihrer 2007 geborenen Tochter in einem gemeinsamen Haushalt (auch in den Jahren 2015, 2016 und 2017). Der Kindesvater ist nicht leistungsfähig und zahlt keinen Unterhalt.

In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 24.09.2014 lautet es - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:

"§ 3 Vergütung

(1) Die Arbeitnehmerin erhält eine monatliche am Monatsschluss zahlbare Bruttovergütung von € 1.600 (...), die sich ab dem 01.04.2015 auf € 1.800 brutto mtl. erhöht. Die weitere Veränderung der Vergütung bleibt einer besonderen Vereinbarung vorbehalten. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Schriftformerfordernis konstitutiv für das Entstehen des Entgeltanspruches ist.

(...)

§ 13 Ausschlussfristen

(1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, gelten als verwirkt.

(2) Bleibt die Geltendmachung erfolglos, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden, andernfalls gilt er ebenfalls als verwirkt."

Für den Monat April 2015 zahlte die Beklagte an die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1.800 € brutto. Ab Mai 2015 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte mtl. ein Grundgehalt von 1.600 € brutto. Für den Monat November 2015 zahlte die Beklagte an die Klägerin als einmalige Sonderzahlung ein Weihnachtsgeld von zusätzlich 400 € brutto. Für den Monat Januar 2016 zahlte die Beklagte an die Klägerin als "Urlaubsabgeltung Vorjahr" einen zusätzlichen Betrag i. H. v. 363,65 € brutto. Für den Monat Juni 2016 rechnet die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst auf der Grundlage eines Bruttobetrages i. H. v. 1.818,19 € ab (Grundvergütung 1.600 € brutto + Urlaubsabgeltung 218,19 € brutto) und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus. In einer späteren Korrekturabrechnung (Bl. 75 d.A.) wies die Beklagte dann einen weiteren Urlaubsabgeltungsbetrag i. H. v. 654,57 € brutto aus.

Mit Schreiben vom 29.05.2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30.06.2016.

Mit Schreiben vom 25.08.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die gem. Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung i. H. v. 1.800 € brutto für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2015 zu zahlen. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.

Mit ihrer am 02.09.2016 bei dem Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütungsdifferenz von jeweils 200 € brutto für die Zeit von Mai 2015 bis Mai 2016 und i. H. v. 231,02 € brutto für den Monat Juni 2016 sowie zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage i. H. v. 747,63 € brutto.

Auf entsprechende Nachfrage ließ der Insolvenzverwalter der Klägerin mit Schreiben vom 26.10.2016 - soweit hier von Bedeutung - folgendes mitteilen:

"Ich teile ihre Bewertung, dass das Nettoeinkommen der Schuldnerin auch unter Berücksichtigung des um 200 € brutto erhöhten Einkommens im fraglichen Zeitraum unterhalb der Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO liegt. Ich gehe davon aus, dass die mit von der Schuldnerin mitgeteilten Informationen über das Vorliegen einer Unterhaltspflicht gegenüber einem minde...

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