Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Darlegung vergütungspflichtiger Überstunden. Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vergütung von Überstunden setzt zum einen voraus, dass der Arbeitnehmer diese tatsächlich geleistet hat, und zum anderen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Für beide Voraussetzungen - einschließlich der Anzahl geleisteter Überstunden - trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.

2. Ein Kraftfahrer, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, kann seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

3. Verletzt der Arbeitnehmer eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Arbeitgeber Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die Pflichtverletzung als auch für Vorsatz oder Fahrlässigkeit trägt der Arbeitgeber. Allerdings dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber lag. Der Arbeitnehmer hat sich im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern, sofern der Arbeitgeber Indizien vorträgt, die auf ein haftungsbegründendes Verschulden des Arbeitnehmers hinweisen.

 

Normenkette

BGB §§ 619a, 280, 387; BUrlG § 7 Abs. 4; ZPO § 138 Abs. 3; BGB § 241 Abs. 2; ZPO § 373

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 03.12.2019; Aktenzeichen 13 Ca 310/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 03.12.2019 - 13 Ca 310/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Überstunden und Urlaubsabgeltung sowie Schadensersatz aus Arbeitnehmerhaftung.

Die im November 1979 geborene Klägerin nahm am 01.03.2018 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Kraftfahrerin mit einer monatlichen Vergütung von € 1.700,- brutto auf. Nach Ziffer 3 des Arbeitsvertrages ist mit dem Gehalt eine etwaige über die betriebliche Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit im Umfang von bis zu 10 Stunden pro Monat abgegolten; darüber hinaus aus dringenden betrieblichen Erfordernissen geleistete Mehrarbeit ist durch den Arbeitgeber zu vergüten oder durch Freizeitgewährung abzugelten.

Vom 07.05. bis zum 30.05.2018 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch fristlose Eigenkündigung der Klägerin am 31.10.2018. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr ein Resturlaubsanspruch Höhe von 15 Tagen zu.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Beklagte - nach Abzug von jeweils 10 Stunden pro Monat - zumindest noch 113 Überstunden aus den Monaten April bis Juni 2018 zu vergüten habe. Multipliziert mit dem Mindestlohn von € 8,84 ergebe sich ein Betrag von € 998,92 brutto. Im Einzelnen habe sie in den Monaten April bis Juni 2018 unter Einrechnung der Be- und Entladezeiten wie folgt gearbeitet:

April 2018

Tag

Arbeitsbeginn und -ende

Gesamtzeit

Abzug Pausen

Arbeitsstunden

Reguläre Arbeitszeit

Überstunden

03.04.2018

06:00 - 19:40

13,40

0,75

12,65

8,00

4,65

04.04.2018

07:00 - 17:30

10,30

0,75

9,55

8,00

1,55

05.04.2018

06:00 - 17:00

11,00

0,75

10,25

8,00

2,25

06.04.2018

05:00 - 21:40

16,40

0,75

15,65

8,00

7,65

09.04.2018

05:00 - 18:30

13,30

0,75

12,55

8,00

4,55

10.04.2018

05:00 - 22:00

17,00

0,75

16,25

8,00

8,25

11.04.2018

05:30 - 18:30

13,00

0,75

12,25

8,00

4,25

12.04.2018

Frei

13.04.2018

06:15 - 21:30

15,15

0,75

14,40

8,00

6,40

16.04.2018

06:15 - 20:15

14,00

0,75

13,25

8,00

5,25

17.04.2018

06:15 - 17:30

11,15

0,75

10,40

8,00

2,40

18.04.2018

06:00 - 18:45

12,45

0,75

11,70

8,00

3,70

19.04.2018

05:30 - 16:30

11,00

0,75

10,25

8,00

2,25

20.04.2018

06:30 - 16:30

10,00

0,75

9,25

8,00

1,25

23.04.2018

06:00 - 18:30

12,30

0,75

11,55

8,00

3,55

24.04.2018

05:00 - 19:30

14,30

0,75

13,55

8,00

5,55

25.04.2018

05:30 - 19:45

14,15

0,75

13,40

8,00

5,40

26.04.2018

07:00 - 19:30

12,30

0,75

11,55

8,00

3,55

27.04.2018

06:00 - 23:30

17,30

0,75

16,55

8,00

8,55

Mai 2018

Tag

Arbeitsbeginn und -ende

Gesamtzeit

Abzug Pausen

Arbeitsstunden

Reguläre Arbeitszeit

Überstunden

02.05.2018

06:30 - 21:00

14,50

0,75

13,75

8,00

5,75

03.05.2018

07:00 - 20:00

13,00

0,75

12,25

8,00

4,25

04.05.2018

07:15 - 19:30

12,15

0,75

11,40

8,00

3,40

07.05. - 30.05 Arbeitsunfähigkeit

Juni 2018

Tag

Arbeitsbeginn und -ende

Gesamtzeit

Abzug Pausen

Arbeitsstunden

Reguläre Arbeitszeit

Überstunden

04.06.2018

06:00 - 18:00

12,00

0,75

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