Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung nach italienischem Recht. Ausschluss der Zurückverweisung an das Arbeitsgericht wegen Mängeln im Verfahren. Unbegründete Kündigungsschutzklage eines Assistenten an Bord von Kreuzfahrtschiffen aufgrund arbeitsvertraglicher Rechtswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Das kündigungsgleiche Rücktrittsrecht des Arbeitgebers nach Artikel 2110 Absatz 2 Codice Civile (Italienisches Zivilgesetzbuch) stellt nach der herrschenden Meinung in Italien einen eigenständigen Beendigungstabestand dar, der zusätzlich neben den Möglichkeiten der Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus berechtigten Gründen besteht (vgl. Bovenberg, Kündigung und Kündigungsschutz im Italienischen Arbeitsrecht, Hamburg, 2003, Seiten 89, 91 f mit weiteren Nachweisen und mit der Darstellung der abweichenden Mindermeinung).
2. Das Rücktrittsrecht nach Artikel 2110 Absatz 2 Codice Civile ist erst eröffnet, wenn die soziale Absicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfalle nach Artikel 2110 Absatz 1 Codice Civile abgelaufen ist. Es spricht viel dafür, dass dafür sowohl die arbeitsvertragliche Absicherung (Entgeltfortzahlung) als auch die sozialrechtliche Absicherung (vermittels Krankengeld oder ähnlicher Leistungen) abgelaufen sein müssen.
3. Eine Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht wegen eines Mangels im Verfahren scheidet nach § 68 ArbGG aus. Das gilt insbesondere für Mängel bei der Gewährung rechtlichen Gehörs, da insoweit möglicherweise bestehende Defizite durch ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs im Berufungsrechtszug ausgeglichen werden können.
Normenkette
Codice Civile (Italien) Art. 2110; KSchG § 1; ArbGG § 68; Codice Civile Art. 2110 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 13.05.2014; Aktenzeichen 2 Ca 1968/12) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kündigungsschutz gegen eine krankheitsbedingt ausgesprochene Kündigung seitens des Arbeitgebers sowie die Zahlung von Arbeitsentgelt und Schadenersatz wegen unwirksamer Kündigung.
Der Kläger mit Wohnsitz in Deutschland ist mindestens seit 21. Oktober 2004 als Ventilation Assistant an Bord von verschiedenen AIDA Kreuzfahrtschiffen beschäftigt gewesen. Sein Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsvertrag vom 21. Oktober 2004 (Kopie als Anlage B 2 überreicht, hier Blatt 60ff) die "C. C. S.p.A." Der in deutscher Sprache abgefasste Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"...
02. Die monatliche Heuer beträgt gemäß freier Vereinbarung mit Wirkung ab 01.01.2005 EUR 3.252,00 brutto. ... Mit der Heuer sind die in dem zwischen dem Arbeitgeber und den italienischen Gewerkschaften gezeichneten Vertrag enthaltenen monetären Zuwendungen wie die Seefahrtszulage, Trennungsgeld, Weihnachts- und Osterbonus sowie das Verpflegungsgeld abgegolten.
...
10. Im Falle einer Erkrankung während der Beschäftigungszeit erhält der Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu 42 Tagen Gehaltsfortzahlung.
...
19. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen. Vertragsänderungen oder Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Anlagen, sofern vorhanden, sind Bestandteil dieses Vertrages.
20. Weiterführende Vereinbarungen und Bestimmungen, die im Arbeitsvertrag nicht berücksichtigt sind, regelt der mit den Gewerkschaften FILT-CGIL, FIT-CISL und ULTRASPORTI abgeschlossene Manteltarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieser ist Bestandteil dieses Vertrages.
21. Für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist ausschließlich italienisches Recht maßgeblich. Gerichtsstand für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist der Sitz des Arbeitgebers."
Zu diesem Arbeitsvertrag gibt es ein Addendum, das beide Parteien als Teil des Arbeitsvertrages begreifen (Kopie hier Blatt 64). Dort heißt es auszugsweise:
"Ergänzend zu Punkt 19 des Anstellungsvertrages wird folgendes zusätzlich vereinbart:
... 6. Der Arbeitgeber sichert ab 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Krankentagegeldzahlung bis zu 182 Tage zu."
Der in Ziffer 20 des Arbeitsvertrages erwähnte Manteltarifvertrag ist in einer deutschen Übersetzung als Anlage K 2 zur Akte gelangt (hier Blatt 38 ff). Er trägt den Titel "Manteltarifvertrag für die EU Mitarbeiter Deck und Maschine der AIDA Clubschiffe" und er ist am 20. August 2004 zwischen den "nationalen Sekretariaten" der drei im Arbeitsvertrag erwähnten Gewerkschaften und der C. C. S.p.A. abgeschlossen worden (Im Folgenden abgekürzt mit MTV AIDA bezeichnet). Der Text lautet auszugsweise:
"...
Art. 2 Anmusterung
Im Hafenamt von G. trägt C. C. S.p.A. für alle Besatzungsmitglieder der im Anhang unter A genannten Schiffe eine Musterrolle ein.
Art. 3 Arbeitsvertrag
Außer dem Arbeitsvertrag und den individuellen Vereinbarungen finden die hier explizit aufgeführten Bestimmungen des italienischen "Manteltarifvertrages" vom 25. Juli 1978 für die Anmusterung von Besatzung auf Kreuzfahrtschiffen Anwendung. Nicht ausdrücklich aufgeführt...