Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine treuwidrige Kündigung bei Erklärung kurz vor Ablauf der Wartezeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kündigung, die der Arbeitgeber am letzten Tag der Wartezeit nach § 1 KSchG wenige Stunden vor Feierabend ausspricht, kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als treuwidrig angesehen werden (wie BAG 24.10.1996 - 2 AZR 874/95 -).
2. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer aus einer ungekündigten Stellung heraus abgeworben wurde, lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Parteien konkludent auf die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung in der Wartezeit nach § 1 KSchG verzichten wollten. Das gilt selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer abgeworben wurde, um seinem neuen Arbeitgeber Zugang zu dem Markt zu verschaffen, der bisher allein von dem Altarbeitgeber des Arbeitnehmers bedient wurde. Lässt sich der Arbeitnehmer auf ein so motiviertes Arbeitsverhältnis ein, muss er die auf der Hand liegenden Risiken durch entsprechende Vertragsregelungen zu vermeiden versuchen.
Normenkette
BGB §§ 162, 242; KSchG §§ 1, 1 Abs. 1; BGB § 162 Abs. 1, §§ 138, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 14.11.2007; Aktenzeichen 4 Ca 508/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Klageerweiterungen werden abgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Kern um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger Kündigung.
Die Klägerin war jahrelang bei ihrem Vorarbeitgeber als Sanitätsfachverkäuferin im Außen- und Innendienst tätig. Der Vorarbeitgeber hat viel mit den Kliniken in Rostock zusammengearbeitet und bekam über die Kliniken viele Aufträge vermittelt. Am 1. September 2006 hat die Klägerin zur Beklagten gewechselt, die in derselben Branche und im selben Marktsegment tätig ist. Die Beklagte berühmt sich des Umstandes, dass es ihr gelungen sei, den Vorarbeitgeber der Klägerin weitgehend aus dem Klinikbereich zu verdrängen.
Die Klägerin verdiente bei der Beklagten 2.600,00 € brutto monatlich. Ihr wurde die Leitung einer Filiale in der D Straße in den Räumlichkeiten der orthopädischen Klinik übertragen. Die Klägerin stand zu ihrem Vorarbeitgeber in einer ungekündigten Stellung. Ihre Abwerbung zur Beklagten wurde durch ihren ehemaligen Kollegen Herrn K vermittelt. Die Einzelheiten der Rolle, die Herr K dabei spielte und die Einzelheiten zu Versprechungen, die Herr K bei den Gesprächen gegenüber der Klägerin gemacht haben soll, sind streitig.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2007 zum 31.03.2007 gekündigt. Die Übergabe der Kündigung an die Klägerin erfolgte am 28. Februar 2007 gegen 17.00 Uhr, also rund sieben Stunden vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG. Hiergegen richtet sich die beim Arbeitsgericht Rostock am 19. März 2007 eingegangene Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. November 2007 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 23. Januar 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 9. Februar 2008 ist hier am 12. Februar 2008 eingegangen und mit Schriftsatz vom 4. März 2008, Gerichtseingang am 7. März 2008, begründet worden.
Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr ursprüngliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Außerdem hat sie ihre Klage um einen Zahlungsantrag, einen Zeugniserteilungsantrag und um einen Antrag zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung erweitert.
Die Klägerin meint, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da die Beklagte den Ablauf der Wartezeit entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch eine grundlose Kündigung verhindert habe (Rechtsgedanke aus § 162 BGB - Verweis auf BAG 28.09.1978 - 2 AZR 2/77 - BAGE 31, 83 = DB 1979, 1135 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972).
Die Klägerin hält die Kündigung außerdem für treuwidrig. Sie behauptet, sie wäre nur eingestellt worden, um den von ihr bei ihrem bisherigen Arbeitgeber gehaltenen Kundenstamm abzuschöpfen. Die Beklagte wäre an sie herangetreten mit der Zielstellung, sie einzustellen. Das von der Klägerin aufgebaute Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern und der Klinik wäre Voraussetzung gewesen, dass sich z. B. die Innere Klinik von ihrem Vorarbeitgeber getrennt habe und die Aufträge an die Beklagte erteilt habe. Gleiches treffe auf die Psychiatrie und Neurochirurgie und auf die Physiotherapie wie auf das Physiotherapieteam der Universitätsklinik in G zu. Somit habe die Beklagte einen umfangreichen Kundenstamm, den die Klägerin aufgebaut habe, erhalten. Die Kündigung wenige Stunden vor Ablauf der Wartefrist wäre deshalb nur ausgesprochen worden, um dem Kündigungsschutz zu entgehen.
Nachdem die Klägerin erstinstanzlich zu den Umständen der Anbahnungsgespräche vorgetragen hatte, die Leiterin der Physiotherapie hätte sie darau...