Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Wartezeitkündigung gegen Ende der Probezeit mit mehrmonatiger Bewährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Während der Wartezeit des § 1 Absatz 1 KSchG gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann also dem Arbeitnehmer regelmäßig noch am letzten Tag der Wartefrist ordentlich kündigen. Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er sogar im Regelfall, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis während der Wartezeit aus § 1 Absatz 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer auch eine weitere Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt (BAG 7. März 2002 - 2 AZR 93/01 - AP Nr. 22 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag = DB 2002, 1997).
2. Wird die Kündigung gegen Ende der vereinbarten Probezeit mit einer Frist von 4 Monaten zum Monatsende ausgesprochen, handelt es sich noch um eine überschaubar längere Kündigungsfrist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Normenkette
BGB § 622 Abs. 3; KSchG §§ 1, 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 24.09.2013; Aktenzeichen 2 Ca 960/13) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung, die der Arbeitgeber noch während der Wartezeit aus § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) mit einer Frist, die weit über die gesetzliche Mindestfrist hinausgeht, ausgesprochen hat.
Der 1988 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 2012 beschäftigt. Arbeitsvertraglich war eine Probezeit von sechs Monaten mit einer 1-tägigen Kündigungsfrist vereinbart. Zuletzt hat der Kläger - einschließlich Umsatzprovision - etwas mehr als 1.560,00 Euro im Monat verdient.
Die Beklagte betreibt mit mehr als zehn Arbeitnehmern einen Fruchthandel. Der Kläger war als "Kraftfahrer/Kommissionierer" in der Kundenbelieferung eingesetzt.
Aus der Sicht der Beklagten verlief die Probezeit nicht problemlos. Zum einen hatte der Kläger im März 2013 das ihm überlassene Kraftfahrzeug beschädigt und zum anderen - so der Text der streitigen Kündigung - soll der Kläger Probleme gehabt haben, die von der Beklagten vorgegebenen Leistungsziele einzuhalten.
Gegen Ende der Probezeit hatte die Beklagte dem Kläger im Mai 2013 schriftlich angeboten, die Probezeit vertraglich um drei weitere Monate bis zum 31. August 2013 zu verlängern (Kopie hier Blatt 12). Dieses Angebot hat der Kläger mit Anschreiben vom 26. Mai 2013 abgelehnt. Daraufhin hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Mai 2013, Zugang beim Kläger am selben Tag, zum 30. September 2013 gekündigt. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise wörtlich (Kopie hier Blatt 14):
"Kündigung
Hiermit kündigen wir das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. September 2013. Die Kündigung erfolgt innerhalb der Probezeit.
Die bisher erbrachten Leistungen werden als nicht ausreichend erachtet. Die längere Kündigungsfrist wird als weitere Bewährungschance angesehen, sich besser in die betrieblichen Abläufe einzupassen, die anstehenden Arbeiten auf einem höheren Qualitäts- und Leistungsniveau auszuführen. Ihnen wird ausdrücklich bei Erfüllung der Leistungskriterien eine Wiedereinstellung in Aussicht gestellt.
Bei Ablauf der Kündigungsfrist ohne Wiedereinstellung weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass Sie sich umgehend beim Arbeitsamt zu melden haben."
Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist beim Arbeitsgericht am 20. Juni 2013 eingegangen.
Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage mit Urteil vom 24. September 2013 abgewiesen (2 Ca 960/13). Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt. Die Kündigung könne nur als Retourkutsche für die vom Kläger abgelehnte vertragliche Verlängerung der Probezeit angesehen werden. Die von der Beklagten im Rechtsstreit vorgebrachten sachlichen Gründe für den Wunsch auf Verlängerung der Probezeit seien vorgeschoben. In Wahrheit sei es nur darum gegangen, den Kläger ohne festes Arbeitsverhältnis noch während der personell schwierigen Sommermonate unter Vertrag zu haben.
Im Übrigen liege ein Fall der Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes vor. Wenn die Beklagte tatsächlich mit den Leistungen unzufrieden gewesen wäre, hätte man erwarten dürfen, dass sie die Kündigung mit dem Ziel der schnellst möglichen Beendigung der Zusammenarbeit, also mit der 2-Wochen-Frist für die Probezeitkündigung aus § 622 BGB oder gar mit der vertraglichen eintägigen Kündigungsfrist während der Probezeit ausspricht. Wenn sie stattdessen die Frist auf vier Monate zum Mona...