Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessener Nachtzuschlag für eine im Schichtdienst eingesetzte Altenpflegerin

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen stellt ohne das Vorliegen besonderer Umstände, die auf eine höhere oder geringere Belastung schließen lassen, regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit im Sinne von § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz dar.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5, § 2 Abs. 5, 3; BGB § 611a Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 08.11.2017; Aktenzeichen 4 Ca 79/17)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.556,10 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die ab dem 01.11.2017 geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent des Bruttostundenlohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 56 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden je zwei bezahlte freie Tage zu gewähren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz gemäß § 288 Absatz 5 BGB in Höhe von 320,00 Euro zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt zu 88 Prozent und die Klägerin zu 12 Prozent die Kosten des Rechtsstreits.

II.

Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zum einen über eine angemessene Entschädigung für geleistete Nachtarbeitsstunden und zum anderen um Zahlungsansprüche aus - wie die Klägerin behauptet - nicht gewährten Pausenzeiten im Rahmen der Erbringung von Nachtarbeit.

Die Klägerin ist seit 1998 bei der Beklagten, einem privaten Dienstleister im Bereich der Seniorenbetreuung, beschäftigt. An einigen Standorten bietet die Beklagte auch spezielle Konzepte für pflegebedürftige jüngere Menschen an, so auch am Standort "P.", an dem die Klägerin eingesetzt ist. Die Klägerin ist examinierte Altenpflegerin mit einer arbeitsvertraglich vereinbarten Grundvergütung von 2.041,67 Euro brutto im Rahmen einer 35 Stundenwoche, woraus sich ein Stundenlohn von 13,44 Euro ergibt. Die Klägerin arbeitet im Schichtdienst, nämlich Tag-, Wechsel- und Nachtdienst. Die Nachtschicht beginnt bei der Beklagten üblicherweise um 20:45 Uhr und dauert bis 06:15 Uhr. Auf Grund einer Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.08.1999 zahlt die Beklagte der Klägerin für Nachtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 1,08 Euro brutto je Stunde, und zwar für die Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Außerdem besteht bei der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 09.05.2005, in der es - soweit hier von Bedeutung - wie folgt lautet:

"11. Zugesagte Zuschläge

Den gesamten Mitarbeitern wird arbeitgeberseits zugesagt, soweit nicht individualvertraglich eine günstigere Regelung besteht, dass neben der Zeitgutschrift für die tatsächliche Arbeitsleistung folgende Zeitzuschläge gewährt werden:

a) für Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr

1,00 €/Std."

Während der Nachtschicht ist in der Einrichtung "P." eine Pflegefachkraft eingesetzt. Diese wird ganz überwiegend (jedoch nicht ausschließlich, so z. B. unstreitig nicht für den 14.07.2017, 15.07.2017 und 16.07.2017) durch eine Pflegehilfskraft unterstützt.

In der Einrichtung "P." der Beklagten leben chronisch kranke Menschen, wie schwere Alkoholiker und Drogenabhängige. In der Regel sind 42 Personen zu betreuen, wobei der MDK für den überwiegenden Teil dieser Personen die Pflegestufe 2 und teilweise die Pflegestufe 3 festgestellt hat.

Die im Rahmen der Nachtschicht zu erbringenden Arbeitsleistungen sind zwischen den Parteien dem Grunde nach - von einigen kleineren Arbeitsschritten abgesehen - ganz überwiegend unstreitig, wobei teilweise unterschiedliche Wertungen hinsichtlich der Dauer und der Intensität bestimmter Arbeitsschritte vorgetragen und teilweise abweichende Angaben zu den Zeitpunkten, zu denen die Arbeiten tatsächlich anfallen, gemacht werden. Auf der Grundlage des erstinstanzlichen Schriftsatzes der Beklagten vom 21.06.2017 (Blatt 107 bis 112 d. A.) stellen sich die dem Grunde nach überwiegend unstreitigen Tätigkeiten, die während der Nachtschicht zu erbringen sind, wie folgt dar:

- Dienstübergabe der Fachkraft an den Nachtdienst;

- Hilfe beim Zubettgehen der Bewohner, gegebenenfalls Radio und Fernseher abschalten, zubereiten und gegebenenfalls Hilfe bei der Nahrungsaufnahme;

- erster Kontrollgang, Toilettengänge, Wechsel von Inkontinenzprodukten, Lagern von Bewohnern nach Bedarf, Radio und Fernseher ausschalten von Bewohnern nach Bedarf;

- zweiter Kontrollgang;

- dritter Kontrollgang, Toilettengänge, Wechsel von Inkontinenzprodukten, Lagern von Bewohnern nach Bedarf, Dokumentation in den Bewohnerakten;

- Dienstübergabe der Fachkraft an den Frühdienst

Zwischen den Kontrollgängen fallen insoweit unst...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge