Entscheidungsstichwort (Thema)
Enden der Pflicht eines Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung gleichzeitig mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB gelten während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses in gleicher Weise für Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Dem Arbeitnehmer ist jeglicher Wettbewerb untersagt.
2. Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten.
3. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung. Der Arbeitgeber kann sich vor einer nachvertraglichen konkurrierenden Tätigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Vereinbarung eines bezahlten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff HGB schützen. Fehlt es an einer rechtswirksamen Wettbewerbsabrede, kann der Arbeitnehmer wie jeder Dritte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Hierbei kann er sein im Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einsetzen und auch in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen.
4. Ein Unterlassungsanspruch kann sich nach § 8 Abs. 1 UWG nur ergeben, wenn der ehemalige Arbeitnehmer unlautere geschäftliche Handlungen vorgenommen hat und diesbezüglich eine Wiederholungsgefahr besteht. Der Unterlassungsanspruch setzt durch den Arbeitnehmer ausgeübten "unlauteren" Wettbewerb voraus.
Normenkette
GG Art. 12; BGB § 241; HGB §§ 60, 74; UWG §§ 3-5, 8-9; UWEG § 13
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 13.12.2022; Aktenzeichen 4 Ca 386/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13.12.2022 zum Aktenzeichen 4 Ca 386/22 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Unterlassung von Wettbewerb sowie Schadens- und Aufwendungsersatz.
Die Beklagte bietet als privater Anbieter sozialer Dienste besondere Wohnformen für Menschen mit Behinderungen und Suchterkrankungen sowie ein betreutes Wohnen (im Folgenden: ABW) an. Die Beklagte zu 2 war als Leiterin der Bereichs-/Teamleitung des ABW, der Beklagte zu 3 war als Einrichtungsleiter des "Haus Confidence" tätig.
Mit Schreiben vom 31.12.2021 erteilte die Klägerin den Mitarbeitern des Bereiches ABW jeweils eine Abmahnung wegen Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten.
Nachdem sich Verhandlungen der Klägerin mit den Beklagten zu 2 und 3 zur Veräußerung von Geschäftsanteilen an die Beklagten zu 2 und 3 im November 2020 endgültig zerschlagen hatten, gründeten die Beklagten zu 2 und 3 mit Gesellschaftervertrag vom 10.01.2022 die Beklagte zu 1, deren Eintragung in das Handelsregister am 17.03.2022 erfolgte.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2022 (Anlage JS 1, Bl. 44 d.A.) kündigte die Beklagte zu 2 ihren Arbeitsvertrag mit der Klägerin zum 30.04.2022, der Beklagte zu 3 kündigte sein Arbeitsverhältnis durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2022 (Anlage JS 2, Bl. 45 d.A.) zum 31.03.2022. Ebenfalls durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.01.2022 kündigten 13 Mitarbeiter des Bereichs ABW ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin zum 30.04.2022. Mit Schreiben vom 31.01.2022 übersandte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Klägerin mit Datum vom 28.01.2022 versehene 73 Kündigungsschreiben sämtlicher Klienten der Klägerin des Bereichs ABW (Anlage JS 5, Bl. 65 ff. d.A.) zur Kündigung ihrer Betreuungsverträge zum 30.04.2022.
Die Klägerin mahnte die Beklagten mit Schreiben vom 21.03.2022 (Anlage JS 12, Bl. 145 ff d.A.) ab mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Diese wurde durch die Beklagten verweigert. Nach Vorlage der erforderlichen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg begann die Beklagte zu 1 spätestens am 24.05.2022 ihre Geschäftstätigkeit. Zu diesem Datum nahmen die vormals bei der Klägerin als Betreuer eingesetzten Mitarbeiter, welche mit Schreiben vom 27.01.2022 ihre Arbeitsverträge gekündigt hatten, eine Beschäftigung bei der Beklagten zu 1 auf.
Mit der den Beklagten am 14.04.2022 zugestellten Klage hat die Klägerin Unterlassung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens geltend gemacht, die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2.584,09 € Abmahnkosten.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagten zu 2 und 3 hätten den gesamten als persönliche Betreuer im Bereich ABW tätigen Mitarbeiterstab abgeworben, ihnen vorformulierte Kündigungsschreiben zur Unterschrift vorg...