Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Betriebsvereinbarung unter aufschiebender Bedingung. Beidseitige Erkennbarkeit des Eintritts der aufschiebenden Bedingung als Wirksamkeitsvoraussetzung. Grundsätzlich keine Umdeutung einer Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebsvereinbarung kann unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen werden, wenn der Eintritt der vereinbarten Bedingung für alle Beteiligten, auch für die Arbeitnehmer als Normunterworfene, ohne Weiteres feststellbar ist.
Normenkette
BGB § 158; BetrVG § 77; SGB VIII § 78b; BGB § 140
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 21.10.2020; Aktenzeichen 1 Ca 824/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 21.10.2020 - 1 Ca 824/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Gehaltserhöhung auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung.
Die im August 1985 geborene Klägerin nahm am 01.09.2015 bei dem beklagten Verein die Tätigkeit einer staatlich anerkannten Erzieherin in einer Kindertagesstätte auf. Der beklagte Verein bietet verschiedene Leistungen der Jugendhilfe an und beschäftigt rund 200 Arbeitnehmer. Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag vom 12.08.2015 eine regelmäßige Arbeitszeit von 35 Wochenstunden und ein monatliches Festgehalt von € 2.285,00 brutto. Die Klägerin befand sich zeitweise in Elternzeit, aus der sie am 11.01.2019 zurückkehrte.
Der Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 29.03.2019 die folgende
"Betriebsvereinbarung - Erweiterung der Gehaltsstufen (Festgehalt) in Anlehnung an den TVöD Kommunen VKA
Die derzeitige Vergütung in Form des Festgehaltes wird in Anlehnung an den TVöD Kommunen VKA um zwei Stufen, von 4 auf 6 Stufen, erweitert. Die Höhe der jeweiligen Stufen richtet sich nach dem Tarifabschluss zum 01. April 2019 im öffentlichen Dienst.
Eine neue Eingruppierung bzw. Höherstufung des Bruttogehaltes erfolgt zeitlich, in Anlehnung an den TVöD bzw. nach schriftlicher AntragsteIlung durch den Arbeitnehmer / Arbeitnehmerin.
Zukünftige Tarifabschlüsse (TVöD Kommunen) werden zeitnah eingearbeitet.
Für die Mitarbeiter / Mitarbeiterinnen des Jugendhilfezentrums erfolgt die jeweils gültige Vergütung laut neuem Festgehalt, nach abgeschlossener Entgeltverhandlung.
Anlage 1
Gehaltstabelle Stand 01.04.2019
Vergütung nach Festgehalt auf Grundlage der Betriebsvereinbarung 01.04.2019
...
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Stufe |
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Eingrup-pierung |
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1 |
2 |
3 |
... |
1 |
Sozialpäd./Leiter mit Berufserfahrung |
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... |
... |
2 |
Sozialpäd./Leiter ohne Berufserfahrung |
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... |
... |
... |
3 |
Staatl. anerk. Erzieher mit Berufserfahrung |
2.721,00 |
2.892,00 |
3.070,00 |
... |
4 |
Staatl. anerk. Erzieher ohne Berufserfahrung |
... |
... |
... |
... |
... |
... |
... |
... |
... |
... |
..."
In dem hier maßgeblichen Zeitraum April 2019 bis einschließlich November 2019 galt für die Klägerin zunächst eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden und ab Oktober 2019 von 35 Stunden. Der Beklagte rechnete das Gehalt der Klägerin auf Grundlage der folgenden Bruttomonatsentgelte ab:
Monat |
Wochenarbeitszeit |
Bruttomonatsentgelt |
04/2019 |
30 Stunden |
€ 2.110,00 |
05/2019 |
30 Stunden |
€ 2.110,00 |
06/2019 |
30 Stunden |
€ 2.110,00 |
07/2019 |
30 Stunden |
€ 2.110,00 |
08/2019 |
30 Stunden |
€ 2.169,00 |
09/2019 |
30 Stunden |
€ 2.169,00 |
10/2019 |
35 Stunden |
€ 2.204,42 |
11/2019 |
35 Stunden |
€ 2.531,00 |
Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte die Klägerin den Beklagten auf, sie ab dem 01.04.2019 nach der Anlage zur Betriebsvereinbarung vom 29.03.2019 zu vergüten und machte die entsprechenden Gehaltsdifferenzen geltend. Der Beklagte wies die Forderung unter dem 04.12.2019 zurück.
Am 06.11.2020 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat eine weitere Betriebsvereinbarung über Gehaltsanpassungen in Anlehnung an den TVöD-Kommunen VKA, in der es heißt:
"...
§ 2 Zielvereinbarung
Der Verein beabsichtigt, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Gehaltssteigerungen des TVöD-Kommunen VKA teilnehmen zu lassen, soweit es die Verhandlungen mit dem Kostenträger (Landkreis Nordwestmecklenburg) ermöglichen.
Der Verein wird Gehaltssteigerungen sowie Ein- und Höhergruppierungen im Rahmen zukünftiger Tarifabschlüsse (TVöD-Kommunen VKA) auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen. Zu diesem Zweck werden Verein und Betriebsrat gemeinsam die neuen Gehaltstabellen festlegen.
Voraussetzung für die Neufestlegung der Gehälter sowie die Ein- / Höhergruppierung ist, dass eine Refinanzierung der Gehaltssteigerungen mit dem Kostenträger, Landkreis Nordwestmecklenburg, vereinbart wird und die Refinanzierung sichergestellt ist. Die Gehaltserhöhungen und/oder Höhergruppierungen werden zum 1. des Folgemonats nach abgeschlossener Entgeltverhandlung aller Bereiche mit dem Kostenträger umgesetzt.
§ 3 Inkrafttreten, Laufzeit, Aufhebung alter Betriebsvereinbarung
Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.12.2020 in Kraft. ...
Mit Abschluss dieser Betriebsvereinbarung wird die Betriebsvereinbarung - Erweiterung der Gehaltsstufen (Festgehalt) in Anlehnung an d...