Entscheidungsstichwort (Thema)

Informationsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Überwachungsaufgabe des Betriebsrats. Tarifvertrag-Überwachung durch Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus dem Tarifvertrag Nr. 64 vom 11.06.1999 für die Deutsche Post AG Vertrieb Brief Kommunikation und Vertrieb Paket/Express, International (TV Nr. 64) ergeben sich unmittelbar keine Ansprüche des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Auskunft für jeden einzelnen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer,

  1. welche konkreten Zielgrößen die einzelnen Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber für ein bestimmtes Jahr vereinbart haben
  2. welchen Grad der Zielerreichung die einzelnen Arbeitnehmer erreicht haben
  3. ob und ggf. in welchem Umfang sog. Ausfalltage auf die Zielerreichung einzelner Arbeitnehmer angerechnet würden.

2. Die im TV Nr. 64 ausdrücklich geregelten Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat sind nicht abschließend.

3. Ein Tarifvertrag kann grundsätzlich selbst bestimmen, in welchem Umfang er nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vom Betriebsrat auf seine Durchführung überwacht werden soll.

4. Der Aufgabe des Betriebsrats, die Durchführung von Tarifverträgen nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu überwachen, unterliegen die nach dem TV Nr. 64 zu treffenden Zielvereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern nur insoweit, als es darum geht, die Einhaltung der in § 10 TV Nr. 64 geregelten inhaltlichen Vorgaben der Zielvereinbarungen zu überprüfen.

5. Der Betriebsrat kann den Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Bezug auf den Inhalt von Zielvereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern darauf stützen, er benötige die Information, um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen, wenn gewisse Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitgeber den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 75 Abs. 1; TV Nr. 64 für die Deutsche Post AG Vertrieb Kommunikation und Vertrieb Paket/Express, International

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 11.10.2001; Aktenzeichen 20 BV 115/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.10.2003; Aktenzeichen 1 ABR 39/02)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.10.2001 – 20 BV 115/01 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um Auskunftsansprüche, die der Antragsteller und Beteiligte zu 1) gegenüber der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) geltend macht.

Der Antragsteller ist der Betriebsrat … der Antragsgegnerin. Diesen Geschäftsbereich ist ein Betrieb im Sinne von § 3 BetrVG. Die Antragsgegnerin wendet sämtliche Tarifverträge an, die zwischen der … und der Antragsgegnerin abgeschlossen sind.

Im Tarifvertrag Nr. 64 vom 11.06.1999 für die Deutsche Post AG Vertrieb Brief Kommunikation und Vertrieb Paket/Express, International ist die Vergütung der Arbeitnehmer geregelt, die in der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag aufgeführten Tätigkeiten beschäftigt sind. Diese Arbeitnehmer erhalten eine Vergütung, die in eine feste Grundvergütung und eine variable Vergütung aufgespalten ist. Die variable Vergütung ist vom Erreichen bestimmter Ziele abhängig. Diese Ziele werden anknüpfend an die in § 7 des genannten Tarifvertrages vorgesehene Zuweisung eines als Gebiet bezeichneten Arbeitsbereichs mit Gebietsschutz gem. §§ 8 ff. des Tarifvertrages in Zielvereinbarungen festgelegt. Die Höhe des variablen Entgelts ist gem. § 14 des Tarifvertrags Nr. 64 (TV Nr. 64) unter anderem abhängig von dem jeweils vom Arbeitnehmer bzw. Team erreichten Zielerreichungsgrad (ZEG), der bezogen auf das Einzelziel festgestellt wird.

Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden tariflichen Bestimmungen lauten:

§ 8

Zielvereinbarung

1) Die Ziele sind in einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen direktem Vorgesetzten und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Der Arbeitnehmer kann für das Zielvereinbarungsgespräch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

2) Zur Vorbereitung auf das Zielvereinbarungsgespräch erhält jeder Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen vorher umfassende Informationen über die Ziele seiner Organisationseinheit (GB Vertrieb bzw. Abt. Vertrieb (VNL)).

3) Der jeweilige Vorgesetzte ist verpflichtet, gleichzeitig mitzuteilen, welche Ziele mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden sollen. Der Arbeitnehmer hat das Recht, dem Vorgesetzten eigene Ziele vorzuschlagen.

4) Der für diese Organisationseinheit zuständige Betriebsrat erhält eine entsprechende Mitteilung über die Ziele dieser Organisationseinheit.

5) Die Einigung über die Ziele als Ergebnis des Zielvereinbarungsgesprächs ist schriftlich niederzulegen und vom Arbeitnehmer und vom Vorgesetzten zu unterschreiben (Zielvereinbarung).

6) Tritt ein Ereignis ein, das Einfluß auf die Zielerreichung hat- und vom Arbeitgeber (z. B. Gebietsänderung) oder durch ordnungspolitische Entscheidungen veranlasst wurde, müssen das Ziel/die Ziele und deren Gewichtung entsprechend den Maßg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge