Entscheidungsstichwort (Thema)
Behinderung der Betriebsratsarbeit durch arbeitgeberseitige Androhung von Gehaltskürzungen und Stundenkürzungen bei Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an der Sitzung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
Soweit eine Arbeitgeberin Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitgliedern des Betriebsrates, die den Arbeitsplatz verlassen, um an einer Sitzung des Betriebsrats teilzunehmen, zu der sie geladen werden, eine Gehalts- oder Stundenkürzung androht, liegt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit vor. Insoweit kann der Betriebsrat eine Unterlassung dieser seine Arbeit störenden Verhaltens verlangen.
Normenkette
BetrVG § 78 S. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 16.02.2023; Aktenzeichen 31 BV 152/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen Ziffer 2 des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 16.02.2023 - 31 BV 152/22 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) ist ein bundesweit tätiges Textilunternehmen mit ca. 70 Filialen in Deutschland. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der in der Filiale A. 2 der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat, der aus sieben ordentlichen Mitgliedern besteht. Der Betriebsrat hält regelmäßig dienstags Betriebsratssitzungen ab. Am 10.01.2022 stellte die Betriebsratsvorsitzende, Frau C., fest, dass einige Betriebsratsmitglieder wegen Krankheit verhindert waren, an der Betriebsratssitzung am 11.01. 2022 teilzunehmen. Der Betriebsrat verlangte daraufhin von dem Filialdirektor Herrn D., das nachrückende Betriebsratsmitglied Herrn E. bei der Personaleinsatzplanung (sog. PEP) zu berücksichtigen. Hierauf teilte der damalige HR-Referent Herr F. dem Betriebsrat per E-Mail vom 10.01.2022 (Bl. 10 f. d. A.) ua. folgendes mit:
"Euren PEP-Änderungen können wir leider nicht zustimmen. Für eine Beschlussfassung des Betriebsrats ist es nicht notwendig, dass Ihr zu siebt tagt, für die Beschlussfähigkeit reicht eine einfache Mehrheit aus. Das sind bei einem Gremium bestehend aus sieben Mitgliedern - wie bei Euch - vier Betriebsratsmitglieder."
Der Betriebsrat rügte daraufhin mit einem Beschluss vom 11.01.2022 (Bl. 12 - 14 d. A.) die aus seiner Sicht erfolgte Störung der Betriebsratsarbeit und forderte die Arbeitgeberin diesbezüglich zur Unterlassung auf. Mit einer E-Mail vom 05.04.2022 (Bl. 15 f. d. A.) wandte sich die Betriebsratsvorsitzende an den Filialdirektor und rügte, dass dieser drei geladene Ersatzmitglieder an der Teilnahme an der Betriebsratssitzung am gleichen Tage gehindert habe. Am 12.04.2022 fasste der Betriebsrat den Beschluss, das vorliegende Verfahren einzuleiten. Mit einer E-Mail vom 23.12.2022 (Bl. 77 d. A.) schrieb der Filialdirektor Herr D. der Betriebsratsvorsitzenden folgendes:
"[...] Ich würde mich freuen, wenn ihr uns bis heute Abend die Namen der sieben Mitglieder und die Schicht, in der sie bei BR am 27.12. arbeiten werden, mitteilen könnten.
Natürlich wären wir euch sehr dankbar für jede Art von Unterstützung, die ihr an einem so wichtigen Tag wie dem Sales Start geben möchten, außer wann ihr habt bei der Sitzung wichtige Themen zu besprechen.
Ich wäre auch sehr dankbar, wenn keine kurzfristigen Teilnehmer Änderungen wegen Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit kämen, da ich in diesem Fall gezwungen wäre, die Teilnahme der Ersatzmitglieder an der Sitzung abzulehnen, da der Tagesplan bereits geschrieben ist und die Ersatzmitglieder drinnen sind. Falls die Ersatzmitglieder trotzdem nach BR gehen würden, nachdem ich ihre Anwesenheit dort verweigert habe, wäre ich gezwungen, diesen Tag als abwesend zu betrachten. [...]"
Vor dem Arbeitsgericht hat sich der Betriebsrat darauf berufen, dass die Arbeitgeberin wiederholt die Betriebsratstätigkeit gestört habe, indem sie dem Betriebsrat vorgegeben habe, die Betriebsratssitzung nur mit vier Betriebsratsmitgliedern abzuhalten und ferner zur Durchsetzung dieser Forderung einzelnen Betriebsratsmitgliedern das Verlassen der Filialfläche untersagt habe, um an der Betriebsratssitzung teilzunehmen oder eine Sitzungsteilnahme durch Ankündigung der Kürzung der Vergütung erschwert habe. Mit der die E-Mail vom 10.01.2022 sei hinreichend unter Beweis gestellt worden, dass von Vertretern der Arbeitgeberin mindestens bis zur Einleitung dieses Verfahrens regelmäßig geäußert worden sei, dass die Sitzungen letztlich nur mit der für die Beschlussfähigkeit erforderlichen Mindestbesetzung des Gremiums ohne Nachladung von Ersatzmitgliedern abgehalten werden mögen. Dass die Vertreter der Arbeitgeberin regelmäßig in der geschilderten Art und Weise agiert und kommuniziert hätten, könne auch durch die Vorsitzende des Betriebsrats bestätigt werden und sei von dem Filialdirektor auch im Rahmen einer Einigungsstelle am 12.11.2021 so behauptet und geäußert worden. Der Vorfall am 10.01. 2022 sei kein Einzelfall gewesen, sondern ein systematisches Vorgehen der Arbeitgeberin. Der...