Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang unter Abwesenden. Urlaubsabwesenheit. übliche Postzustellzeiten in größeren Städten

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung. Das Arbeitsgericht hatte einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage abgewiesen. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die einer urlaubsabwesenden geringfügig mit 8 Wochenstunden beschäftigten Arbeitnehmerin an einem Freitag um 15.40 Uhr in den Briefkasten geworfene Kündigung noch am selben Tag zugegangen ist. Die sofortige Beschwerde der Klägerin führte zur Aufhebung des Beschlusses, da die Klageerhebung wegen Zugangs des Kündigungsschreibens erst am Folgetag noch rechtzeitig war.

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch bei Urlaubsabwesenheit ist der Zeitpunkt des Einwurfs des Kündigungsschreibens maßgeblich für dessen Zugang ist. Sofern es zu einem Zeitpunkt in den Briefkasten eingeworfen wird, zu dem nach der Verkehrsanschauung nicht mehr mit dessen Leerung gerechnet werden kann, geht das Kündigungsschreiben erst am nächsten Werktag zu.

In größeren Städten wie München muss mit Postzustellungen bis 14.00 Uhr gerechnet werden. Ein um 15.40 Uhr eingeworfenes Kündigungsschreiben geht daher erst am Folgetag zu.

 

Normenkette

BGB § 130; KSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 11.12.2007; Aktenzeichen 35 Ca 13145/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 07.01.2008 wird derBeschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.12.2007 – Az. 35 Ca 13145/07 – aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat am 24.09.2007 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts München Klage gegen eine fristlose, hilfsweise fristgerecht Kündigung der Beklagten vom 31.08.2007 erhoben und ihre Klage mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage verbunden.

Die Kündigung vom 31.08.2007 (Bl. 4 d.A.) hat die Beklagte der Klägerin am 31.08.2007 um 15:40 Uhr durch einen Boten in deren Briefkasten einwerfen lassen (dies ist zwirschen den Parteien unstreitig, vgl. das Sitzungsprotokoll vom 08.11.2007 = Bl. 22 d.A.). Zur Begründung ihres Antrags auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei Ende August urlaubsabwesend gewesen und erst am 07.09.2007 aus ihrem Urlaub zurückgekehrt. Am 07.09.2007 habe sie das Kündigungsschreiben aus ihrem Briefkasten entnommen. Da sie die Dreiwochenfrist gemäß § 4 S.1 KSchG für die Einreichung einer Kündigungsschutzklage nicht gekannt habe und nicht gut Deutsch spreche, habe sie die Rückkehr ihres Ehemannes aus dessen Urlaub abgewartet. Dieser sei am 17.09.2007 aus dem Urlaub zurückgekehrt, habe aber von seinem Arbeitgeber erst am 24.09.2007 für die Klageerhebung Freizeit erhalten.

Ihre Angaben hat die Klägerin durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.

Mit Beschluss vom 11.12.2007 (Bl.39/47 d.A.) hat das Arbeitsgericht München den Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage mit der Begründung zurückgewiesen, die Kündigung sei der Klägerin noch am 31.08.2007 zugegangen, die Klägerin habe nicht ohne Verschulden die Frist zur Klageerhebung versäumt. Der am 07.01.2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen sofortigen Beschwerde der Klägerin vom selben Tag hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 21.02.2008 (Bl. 70/72 d.A.) aus den bereits im Beschluss vom 11.12.2007 genannten Gründen nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Auf die gemäß § 5 Abs.4 S.2 KSchG statthafte, form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Klägerin vom 07.01.2008 war der Beschluss des Arbeitsgerichts München – Az. 35 Ca 13145/07 – ersatzlos aufzuheben, da die Klägerin ihre Klage vom 24.09.2007 gegen die Kündigung der Beklagten vom 31.08.2007 wegen deren Zugang bei der Klägerin erst am 01.09.2007 rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist gemäß § 4 S.1 KSchG beim Arbeitsgericht erhoben hat, §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 S. 1, 193 BGB; der letzte Tag der Dreiwochenfrist, der 22.09.2007, war ein Sonnabend, der nächste Werktag Montag, der 24.09.2007.

Die Kündigung der Beklagten vom 31.08.2007 ist der Klägerin erst am 01.09.2007 zugegangen, weil sie von dem Boten der Beklagten erst am 31.08.2007 um 15:40 Uhr in deren Briefkasten eingelegt worden ist. Insoweit folgt das Landesarbeitsgericht der im Übrigen sorgfältig und zutreffend begründeten Entscheidung des Erstgerichts nicht, sondern schließt sich der weiter unten zitierten Rechtsprechung des BAG zu § 130 BGB an.

Die Frage, wann ein Kündigungsschreiben der abwesenden Empfängerin im Sinne von § 130 BGB zugeht, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nach wie vor äußerst streitig, vgl. etwa die Darstellung bei Palandt, BGB, 67. Auflage München 2008, § 130 BGB (Heinrichs) Rn. 6. Unter Hinweis auf schwankende Zustellzeiten der Deutsche Post AG, die über den gesamten Tag gestreuten Zustellzeiten anderer privater Zustellunternehmen und den Umstand, dass vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen ohne Personen, die tagsüber zuhause weilen, erst abends den Briefkasten zu leeren pflegen, wenn sie von der Arbeit ...

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