Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers der Zurverfügungstellung von Tablets oder Notebooks für den Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betriebsrat kann die unentgeltliche Überlassung von drei für Videokonferenzen geeigneten Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofonfunktion verlangen.
Normenkette
BetrVG § 30 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 20.04.2023; Aktenzeichen 12 BV 246/22) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20.04.2023, Az. 12 BV 246/22, abgeändert:
Die Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, dem Betriebsrat drei für die Durchführung von Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin, dem zu 1. beteiligten Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen drei Tablets oder Notebooks zur Verfügung zu stellen.
Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandeln mit zahlreichen Filialen in Deutschland.
Der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der in der Filiale Z, A-Stadt IV, gebildete dreiköpfige Betriebsrat.
Das Betriebsratsbüro, welches sich im selben Gebäude, aber nicht in der Filiale befindet, ist mit einem stationären Personal-Computer ohne Kamera und Lautsprecher-/Mikrofunktion sowie mit Internetanschluss und Mikrosoft-Lizenz sowie mit einem Drucker und einem Telefon (vgl. Bl. 195 d. A.) ausgestattet. Die ordentlichen Sitzungen des Betriebsrats finden jede Woche dienstags und mittwochs jeweils ab 8: 00 Uhr statt. An diesen Tagen werden die Betriebsratsmitglieder im Dienstplan üblicherweise gleichzeitig eingeplant.
Die Betriebsratsvorsitzende ist in Voll- und die beiden weiteren Betriebsratsmitglieder sind in Teilzeit tätig. Zwei Ersatzmitglieder sind in Voll- und ein Ersatzmitglied ist in Teilzeit tätig. Die Betriebsratsmitglieder sind im Verkauf, an der Kasse sowie im Lager beschäftigt.
In seiner Sitzung am 20.07.2022 gab sich der Betriebsrat eine Geschäftsordnung (Anlage ASt 3, Bl. 55 ff. d. A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin im Juli 2022 auf, den drei (ordentlichen) Betriebsratsmitgliedern mobile technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, damit sie erforderlichenfalls auch virtuell an Betriebsratssitzungen teilnehmen können.
Am 13.09.2022 (Bl. 6 d. A.) beschloss der Betriebsrat die Einleitung und Durchführung des Verfahrens sowie die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten.
Am 25.10.2023 beschloss der Betriebsrat eine Änderung des § 3 der Geschäftsordnung vom 20.07.2022 (Bl. 248 ff. d. A.), der nun auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 3 Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz; Beschlussfassung in virtueller Sitzung
(1) Vorrang der Präsenzsitzung: Der Betriebsrat räumt der Präsenzsitzung grundsätzlich Vorrang ein. Nur so ist die Wahrnehmung von Körpersprache, Mimik oder Gestik gesichert und es besteht auch die Möglichkeit für einen vertraulichen Einzelaustausch von einzelnen Betriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann.
(2) Definition: Die Betriebsratsmitglieder sind sich bewusst, dass als Präsenzsitzungen nur solche Sitzungen gelten, bei denen alle Teilnehmer vor Ort gleichzeitig physisch anwesend sind. Sobald nur ein Betriebsratsmitglied virtuell dazugeschaltet ist, handelt es sich um eine virtuelle Sitzung. Der Vorrang der Präsenzsitzung wird durch die nachfolgenden Voraussetzungen sichergestellt:
(3) Ausnahme vom Grundsatz der Präsenzsitzung, wenn
a.) schneller Beschluss erforderlich: Die Betriebsratsvorsitzende darf ausnahmsweise zu einer virtuellen Sitzung einladen, wenn für eine Beschlussfassung kurze Fristen zu wahren sind und eine schnelle Beschlussfassung erforderlich ist, die in der regelmäßigen Sitzung nicht (mehr) möglich ist (z.B.: Anhörungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen; PEP-Änderungen; usw.).
und / oder
b.) Arbeits- und Gesundheitsschutz erfordert Meidung Präsenz: Die Betriebsratsvorsitzende darf ausnahmsweise zu einer virtuellen Sitzung einladen, wenn bei Durchführung einer Präsenzsitzung die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder gefährdet wäre (insbesondere bei pandemischer Lage).
Unabhängig von a.) und / oder b.)
c.) Zahlenmäßiges Überwiegen: Auch wenn keine der unter a.) und / oder b.) genannten Ausnahmen vorliegt, darf die Betriebsratsvorsitzende zu virtuellen Sitzungen einladen, solange sichergestellt ist, dass die Präsenzsitzungen gegenüber den virtuellen Sitzungen zahlenmäßig deutlich überwiegen (Verhältnis mind. 2/3 Präsenz zu 1/3 virtuell...