Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl

 

Leitsatz (amtlich)

(Erfolgreiche) Anfechtung, dagegen abgelehnte Nichtigkeit einer Betriebsratswahl:

Öffentlichkeit der Stimmenauszählung, Übergabe eines (mehrheitlichen!) Briefwahlstimmenkonvoluts in einer Tüte durch Listenführerinnen/Wahlbewerberinnen einer – als arbeitgebernah anzusehenden – Liste, vom Arbeitsgericht vorgenommene Korrektur des Wahlergebnisses durch nachträgliche Auszählung der aus dem vorigen Grund zurückgewiesenen Briefwahlstimmen im Termin zur mündlichen Anhörung vor der Kammer und Feststellung eines auf dieser Basis grundlegend veränderten Wahlergebnisses.

 

Normenkette

BetrVG § 19 Abs. 1-2, § 18 Abs. 3; WO BetrVG § 13f

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Beschluss vom 23.10.2009; Aktenzeichen 4 BV 34/09)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden des Arbeitgebers und Beteiligten zu 1 und des Betriebsrats und Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 23. Oktober 2009 – 4 BV 34/09 – geändert:

Die Betriebsratswahl vom 11. Mai 2009 wird für unwirksam erklärt.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden des Arbeitgebers und des Betriebsrats zurückgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligten zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 – Arbeitgeber – betreibt ein Einzelhandelsunternehmen, das bundesweit eine Vielzahl von Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogerieartikeln unterhält. Der Beteiligte zu 2 ist der im – auf der Grundlage eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG gebildeten – „Bezirk A.” in der Betriebsratswahl vom 11.05.2009 gewählte, neun Mitglieder umfassende, Betriebsrat. Dieser „Bezirk A.” (164) erstreckt sich nach den Angaben der Beteiligten flächenmäßig von A. ausgehend bis in die Randbezirke von I. und M. mit insgesamt (ca.) 78 Verkaufsstellen. Ausweislich der vom Betriebsrat mit seiner Beschwerdebegründung vorgelegten Wählerliste (Anl. BR 1, Bl. 216 bis 218 d. A.) waren dort 261 (bzw., so die Arbeitgeberin: 251) wahlberechtigte Arbeitnehmer aufführt.

Gemäß Wahlausschreiben des dreiköpfigen Wahlvorstandes vom 23.03.2009 (Bl. 16/17 d. A.) sollte die Wahl des Betriebsrates am 11.05.2009 von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Betriebsratsbüro – gleichzeitig Büro des Wahlvorstandes –, das sich in einer Verkaufsstelle des Arbeitgebers in A. befindet, stattfinden. Gemäß Bekanntmachung des Wahlvorstandes vom 20.04.2009 (u. a. Bl. 18 d. A.) waren drei als gültig anerkannte Vorschlagslisten für diese Betriebsratswahl vorhanden: Die Liste 1 unter dem Kennwort: „…” mit 40 Wahlbewerberinnen – welche Liste der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren als arbeitgebernah (vom Arbeitgeber initiiert und aktiv unterstützt) ansieht –, die Liste 2 mit dem Kennwort: „…” mit neun Wahlbewerberinnen und die Liste 3 unter dem Kennwort „…” mit acht Wahlbewerberinnen. Nach den – insoweit im Wesentlichen unstreitig gebliebenen – Ausführungen des Betriebsrats im Rahmen des vorliegenden Verfahrens habe der Wahlvorstand aufgrund der weiträumigen Verteilung der Verkaufsstellen und der Entfernungen zum Ort der Stimmabgabe in A. an die ganz überwiegende Zahl der Wahlberechtigten jeweils unter deren Privatanschrift Briefwahlunterlagen mit einem frankierten Freiumschlag für deren Rücksendung verschickt. Am Morgen bzw. Vormittag des Tages der Betriebsratswahl (11.05.2009) versuchten die Listenführerin der Vorschlagsliste 1, Frau L., sowie weitere Wahlbewerberinnen dieser Liste, in Anwesenheit der zuständigen Verkaufsleiterin des Arbeitgebers (Frau K.), dem Wahlvorstand eine Tüte mit – 103 bzw. 120 – Briefwahlstimmen zu übergeben, was von diesem zunächst abgelehnt wurde. Nach erfolgter Übergabe dieser in einer Tüte befindlichen – 120 bzw. 103 – Briefwahlkuverts nach Beginn der Stimmabgabe an diesem Tag durch Wahlbewerberinnen der Liste 1 wurden diese Briefwahlstimmen vom Wahlvorstand nicht als gültig anerkannt, nicht geöffnet und bei der folgenden Auszählung und Feststellung des Wahlergebnisses nicht berücksichtigt, da nach seiner Ansicht diese Briefwahlstimmen nicht ordnungsgemäß zustande gekommen/abgegeben, sondern insbesondere von den zuständigen Bezirksleiterinnen dieses Bezirkes (A.) unter dubiosen Umständen eingesammelt worden seien. Der Wahlvorstand hat bei der nachfolgenden Stimmenauszählung festgestellt, dass bei 90 von ihm anerkannten, persönlich abgegebenen bzw. per Briefwahl erfolgten, Stimmabgaben, bei zwei ungültigen Stimmen, 25 Stimmen auf die Liste 1, 37 Stimmen auf die Liste 2 und 26 Stimmen auf die Liste 3 entfallen seien, auf welcher Grundlage sodann das dementsprechende Wahlergebnis festgestellt wurde. Die von Wahlbewerberinnen der Liste 1 in einer Tüte übergebenen 120/103 Briefwahlstimmen waren hierbei vom Wahlvorstand nicht berücksichtigt und ausgezählt.

Mit Antragsschriftsatz vom 25.05.2009, am selben Tag zunächst per Telefax beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangen, hat der Arbeitgeber und Beteiligte zu 1 die Betrieb...

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