Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbruch einer Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl nur bei anzunehmender Nichtigkeit, jedenfalls offensichtlicher Anfechtbarkeit der durchgeführten Wahl.
Beurteilungsspielraum des Wahlvorstands bei der Wertung des Arbeitnehmerstatus und damit als wahlberechtigt angesehener freier Versicherungsvertreter.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 9
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 10.04.2006; Aktenzeichen 22 BVGa 34/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1. gegen denBeschluss desArbeitsgerichts München vom10. April 2006 – 22 BVGa 34/06 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1. strebt im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung den Abbruch der vom dortigen Wahlvorstand und Beteiligten zu 2. in einem M. Betrieb der Arbeitgeberin eingeleiteten Betriebsratswahl und deren Neuausschreibung ohne Aufnahme von drei als selbstständiger Versicherungsvertreter tätiger Personen, die vom Wahlvorstand in der Wählerliste aufgeführt sind, an.
Die Antragstellerin und Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Versicherungswirtschaft mit mehreren Vertriebsorganisationen, zu denen u. a. die D. gehört. In der D.-Geschäftsstelle in M. beschäftigt die Arbeitgeberin 18 Arbeitnehmer, davon sechs Arbeitnehmer im Innendienst, neun angestellte Arbeitnehmer im Außendienst und drei Auszubildende zum Beruf des Versicherungskaufmanns/-frau. Weiter sind nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beteiligten zu 2. im Anhörungstermin im Beschwerdeverfahren dieser Geschäftsstelle etwa zehn Außendienstmitarbeiter mit dem Status selbstständiger Handelsvertreter zugeordnet.
Der Wahlvorstand und Beteiligte zu 2. schrieb mit Wahlausschreiben vom 08.03.2006 die Betriebsratswahl im Betrieb D.-Geschäftsstelle der Arbeitgeberin in M. am 12.04.2006 aus (Bl. 15 d. A.), wobei in der Wählerliste neben den 18 Arbeitnehmern auch drei als selbstständige Außendienstmitarbeiter – selbstständige Versicherungsvertreter gemäß §§ 84 Abs. 1, 92 HGB – tätige Personen (die Herren B., F. und S.) als damit wahlberechtigt aufgeführt waren. Der kommissarisch tätige Leiter dieser Geschäftsstelle erhob mit Schreiben vom 15.03.2006 Einspruch gegen die Wählerliste (Bl. 17 d. A.), den der Wahlvorstand mit Schreiben vom 17.03.2006 (Bl. 18 d. A.) zurückwies. Mit jeweils identischen Schreiben vom 24.03.2006 (Bl. 19 bis 21 d. A.) erhoben die drei als wahlberechtigt auf der Wählerliste aufgeführten selbstständigen Versicherungsvertreter B., F. und S. ebenfalls Einspruch gegen die Auflistung ihres Namens auf der Wählerliste mit der Begründung, dass sie als selbstständige Handelsvertreter gemäß §§ 84, 92 f HGB tätig und deshalb von der Wählerliste zu streichen seien.
Mit Schriftsatz vom 03.04.2006, am 04.04.2006 beim Arbeitsgericht München eingegangen, beantragte die Arbeitgeberin den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren mit dem Ziel, dem Wahlvorstand aufzugeben, die drei selbstständigen Versicherungsvertreter von der Wählerliste zu nehmen, hilfsweise, die im Betrieb D.-Geschäftsstelle M. laufende Betriebsratswahl abzubrechen und diese ohne Aufnahme der genannten Personen in die Wählerliste neu auszuschreiben.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im Ersten Rechtszug wird auf die Sachverhaltsdarstellung unter Abschnitt I. des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 10.04.2006 Bezug genommen, mit dem dieses die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass ein Eingriff in die laufende Betriebsratswahl durch die Gerichte für Arbeitssachen nur in Fällen anzunehmender Nichtigkeit der anstehenden Betriebsratswahl, nicht lediglich deren Anfechtbarkeit, zulässig sei, zumal zu einem derart späten Zeitpunkt wenige Tage vor der Wahl und nach bereits ersten Stimmabgaben im Wege der Briefwahl ein Eingriff in das laufende Wahlverfahren erst recht eine anfechtbare Wahl zur Folge haben würde. Die Entscheidung über die Frage, ob bestimmte Personen Arbeitnehmerinnen seien oder nicht, sei im Streitfall im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht möglich, da die vorgelegten Vertragswerke hinsichtlich der Herren B., F. und S. deren Status als Nichtarbeitnehmer keineswegs glaubhaft machten, weil es bei Statusstreitigkeiten nicht auf die schriftlichen oder mündlichen Verträge, sondern entscheidend auf die Art und Weise der Durchführung des Dienstverhältnisses ankomme. Des Weiteren fehle es auch an einem Verfügungsgrund, da sowohl die Arbeitgeberin als auch die drei betreffenden Personen ihre Einsprüche gegen die Wählerliste verspätet eingelegt hätten, so dass sie die Eilbedürftigkeit deren Korrektur nicht mehr im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen könnten. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin sei auch dieser berechtigt – und damit, wenn er Einspruch mit Wirksamkeit für die Betriebsrats...