Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedschaft OT. Tarifzuständigkeit. Tarifbindung
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach der Satzung des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels e.V. mögliche Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist verbandsrechtlich zulässig und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
2. § 3 Abs. 1 TVG regelt die Normsetzungsbefugnis der Koalitionen und begrenzt sie auf deren Mitglieder. Die Vorschrift regelt damit aber nicht die Tarifzuständigkeit in personeller Hinsicht
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1; ArbGG § 97 Abs. 1, 5, § 2a Abs. 1 Ziff. 4
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 07.04.2004; Aktenzeichen 5 BV 193/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2 und 3 wird derBeschluss desArbeitsgerichts München vom07.04.2004 – 5 BV 193/03 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 4 für den Beteiligten zu 5 nur bis zum 21.02.2000 tarifzuständig war.
II. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der L. (Beteiligte zu 4) für den Beteiligten zu 5, einem Einzelunternehmen und sog. OT – Mitglied im L., tarifzuständig ist.
Die Beteiligten zu 1 und 2 waren Arbeitnehmerinnen des Beteiligten zu 5. Sie sind Mitglieder der V., der Beteiligten zu 3.
Die Arbeitnehmerinnen streiten vor dem Arbeitsgericht Regensburg, Kammer Landshut, mit ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber über Zahlungsansprüche aus Tarifverträgen, die die Beteiligte zu 3 mit dem Beteiligten zu 4 abgeschlossen hat.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat die bei ihm anhängigen Verfahren gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG im Hinblick auf die Entscheidung des BAG, Beschluss vom 23.10.1996 – 4 AZR 409/95 – (AP 15 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit) ausgesetzt, bis in einem Beschlussverfahren nach § 97 Abs. 1, § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG über die Tarifzuständigkeit des Beteiligten zu 4 für den Beteiligten zu 5 entschieden ist.
Nachdem der Beteiligte zu 4 durch Satzungsänderung vom 8. Juli 1999 die Möglichkeit geschaffen hatte, gegenüber dem Verband den Ausschluss der Tarifbindung zu erklären, machte der Beteiligte zu 5 mit Schreiben vom 20.02.2000, beim L. eingegangen am 21.02.2000, davon Gebrauch und erklärte gem. § 4a der Satzung den Ausschluss der Tarifbindung.
Die maßgebenden Satzungsbestimmungen lauten:
„§ 4 a
„Bei Tarifverträgen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind, können die Mitglieder den Ausschluss der Tarifbindung erklären. Die Erklärung ist schriftlich an die für den Sitz der gewerblichen Niederlassung des Mitgliedes zuständige Bezirksgeschäftsstelle zu richten. Sie wirkt zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge. Die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden.
Nicht tarifgebundene Mitglieder sind nicht berechtigt, an der Abstimmung über tarifpolitische Entscheidungen mitzuwirken”.
§ 5
„Der Verband erhebt von seinen Mitgliedern einen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge sowie ihre Änderung werden durch die Landesdelegiertenversammlung festgesetzt. Die Höhe des Mitgliedsbeitrages ist unabhängig davon, ob das Mitglied der Tarifbindung unterliegt oder nicht. Der Mitgliedsbeitrag ist am 02. Januar eines jeden Jahres zur Zahlung fällig.
Bei besonderem Bedarf können durch Beschluss der Landesdelegiertenversammlung Sonderbeiträge erhoben werden.”
§ 14 Ziffer 4 a
„Zu den regelmäßigen Aufgaben der Landesdelegiertenversammlung gehören: …
ff) die Wahl der Tarifkommission gemäß § 32; nicht tarifgebundene Delegierte sind nicht wahlberechtigt ….”
§ 32
„Die Tarifkommission besteht aus bis zu 40 Mitgliedern sowie bis zu 10 Stellvertretern, die von der Landesdelegiertenversammlung gewählt werden. Nicht tarifgebundene Mitglieder können nicht Mitglied der Tarifkommission sein. Sie ist zuständig für alle tarifpolitischen Fragen, insbesondere für den Abschluss von Tarifverträgen. Die Zuziehung weiterer sachverständiger Mitglieder zu den Beratungen ist möglich. Die Tarifkommission wählt aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter.”
§ 32 a – Streikfonds
„1. … Nicht tarifgebundene Mitglieder können nicht Mitglieder des Verwaltungsrates sein ….”
Der Beteiligte zu 4 hat ca. 12.000 Mitglieder, wobei jährlich ca. 900 Mitglieder ein- und etwa ebenso viele austreten. Ca. 40 % der Mitglieder, meist die kleineren Unternehmen mit nur wenig Beschäftigten, haben mittlerweile von der Satzungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und Mitgliedschaft ohne Tarifbindung erklärt.
Die antragstellenden Beteiligten zu 1 bis 3 haben die Meinung vertreten, dass der Einzelhandelsverband für alle Mitglieder tarifzuständig sei, denen die wesentlichen Mitgliedschaftsrechte zustehen. Deshalb sei der Beteiligte zu 5 an die zwischen der Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 4 abgeschlossene Tarifverträge gebunden. § 3 Abs. 1 TVG regele zwingend und ohne Einschränkungsmöglichkeit die Tarifbindung für alle Mitglieder einer Tarifvertragspartei. Dadurch würde dem Inter...