Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen beendet der dem Gericht mitgeteilte außergerichtliche Vergleich den Rechtsstreit. Es ist nicht erforderlich, die Klage oder die Berufung zurückzunehmen oder die Hauptsache für erledigt zu erklären.
2. Wer bei Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, richtet sich allein nach dem Willen der vergleichschließenden Parteien.
3. Auch wenn Klage oder Berufung im Anschluß an einen außergerichtlichen Vergleich zurückgenommen werden, gilt mangels ausdrücklicher Vereinbarung über die Kostentragungspflicht im Zweifel die Vermutung des § 98 ZPO, wonach die Kosten des Vergleichs und des Rechtsstreits als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind. Besondere Umstände des Falles können einen abweichenden Willen ergeben.
Verfahrensgang
ArbG München (Aktenzeichen 3 Ga 199/93) |
Tenor
1. Der Antrag des Klägers, der Beklagten die Kosten der Berufung aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung gelten als gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Parteien haben sich am 11.11.1993 außergerichtlich geeinigt. Am 16.11.1993 hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen und zugleich mitgeteilt, die Parteien hätten sich außergerichtlich geeinigt. Am 20.12.1993 ist der Wortlaut des Vergleichs dem Gericht mitgeteilt worden. Der Kläger beantragt, der Beklagten die Kosten der Berufung aufzuerlegen. Die Beklagte ist der Meinung, die Kosten der Berufung seien als gegeneinander aufgehoben anzusehen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag des Klägers, der Beklagten die Kosten der Berufung aufzuerlegen, war zurückzuweisen. Die Kosten der Berufung gelten als gegeneinander aufgehoben, § 98 S. 2 ZPO. Dies war vom Prozeßgericht durch deklaratorischen Beschluß auszusprechen, da zwischen den Parteien Streit hierüber besteht (Thomas-Putzo, 18. Aufl., § 98 ZPO, Anm. 11).
1. Wie sich aus der Nr. 2112 des Kostenverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 12 ArbGG 1979 ergibt, beendet der dem Gericht mitgeteilte außergerichtliche Vergleich den Rechtsstreit im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dies war für § 12 Abs. III S. 1 ArbGG 1953 allseits anerkannt (BAG v. 28.3.63, NJW 63, 1469). An der Rechtslage hat sich nichts dadurch geändert, daß der Gesetzgeber die Bestimmung aus dem Gesetz in die Anlage übernommen hat (Gift/Baur, Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, E 1426 a). Der für die Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes abweichenden Meinung (vgl. Germelmann, § 12 ArbGG, Anm. 30) ist nicht zu folgen. Schon dem Wortlaut der Vorschrift ist nach wie vor der kläre Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, daß im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen der dem Gericht mitgeteilte außergerichtliche Vergleich den Rechtsstreit beendet. Der Gesetzgeber wollte, daß die Parteien, die sich ganz im Sinne des hochrangigen Zieles, Arbeitsrechtsstreitigkeiten gütlich beizulegen, außergerichtlich geeinigt haben, den Rechtsstreit einfach und unkompliziert beenden können, ohne die Berufung zurücknehmen zu müssen – was normalerweise der Gestaltung der materiellen Rechtslage durch den Vergleich auch nicht entsprechen und im übrigen zur gerade nicht gewollten Rechtskraft des Ersturteils führen würde – und ohne die Hauptsache für erledigt erklären zu müssen – was den Rechtsstreit u.U. auf der Kostenebene perpetuieren würde.
Allerdings tritt die beendigende Wirkung nicht schon mit dem Abschluß des außergerichtlichen Vergleiches ein. Der außergerichtliche Vergleich ist zunächst nur ein Vertrag, der die materielle Rechtslage gestaltet. Erst die Mitteilung des Vergleichs an das Gericht ist Prozeßhandlung und führt zur Beendigung des Verfahrens. Dabei genügt es nicht, nur die Tatsache des Vergleichsschlusses mitzuteilen, vielmehr muß nach h.M. dem Gericht entweder der Vergleich vorgelegt, oder wenigstens der wesentliche Inhalt mitgeteilt, werden (Gift/Baur aaO: Dersch-Volkmar, 6. Aufl., § 12 ArbGG, Anm. 6 mit weiteren Nachweisen), denn nur dann kann das Gericht feststellen, ob die Parteien sich wirklich verglichen haben.
Im zu entscheidenden Fall war die Rücknahme der Berufung überflüssig und hat den Streit der Parteien über die Kostentragungspflicht überhaupt erst ausgelöst. Sachgerecht wäre es gewesen, dem Gericht einfach den außergerichtlichen Vergleich in Abschrift zu übersenden.
Wird nach Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches die Berufung – oder die Klage – zurückgenommen, ehe der Vergleich dem Gericht mitgeteilt worden ist, ist zwischen der Verfahrensbeendigung und der Kostenprivilegierung zu unterscheiden. Die Mitteilung kann das Verfahren nicht mehr beenden, wenn das Verfahren bereits auf andere Weise beendet worden ist. Im zu entscheidenden Fall ist das Verfahren durch die Rücknahme der Berufung am 16.11.1993 beendet worden. Demgegenüber bleibt das Verfahren auch in einem solchen Falle gerichtsgebührenfrei, denn im Hinblick auf den in § 12 ArbGG i. V. m. Nr. 2112 der Anlage zu § 12 ArbGG zum Ausdruck kommenden sozialen Schu...