Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung eines Einigungsstellenvorsitzenden

 

Leitsatz (amtlich)

Verkauft ein Unternehmen seinen einzigen Produktionsbetrieb an einen Erwerber und gehen einzelne Arbeitsverhältnisse nicht auf den Erwerber über, weil die betroffenen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widersprochen haben, so ist die Kündigung der beim Veräußerer verbleibenden Arbeitnehmer durch den Veräußerer keine sozialplanpflichtige Betriebsänderung i.S. von § 111 Abs. 1 BetrVG, sofern der Veräußerer mit den bei ihm verbleibenden Arbeitnehmern nicht mehr im Rahmen einer betrieblichen Organisation wirtschaftlich tätig wird. Das gilt auch dann, wenn der Betrieb vor dem Betriebsübergang den Schwellenwert des § 111 Abs. 1 BetrVG überschritten hat und wenn die Zahl der nunmehr vom Veräußerer entlassenen Mitarbeiter den Schwellenwert des § 112 a BetrVG überschreitet.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 111 f.; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 24.05.2007; Aktenzeichen 37 BV 201/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 24. Mai 2007, Az.: 37 BV 201/07 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Aufstellung eines Sozialplans anlässlich einer behaupteten Betriebsänderung.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2)) hatte bis zur Veräußerung am 14.3.2007 einen Betrieb mit circa 30 Beschäftigten, der sich mit Produktdesign befasste. Der Beteiligte zu 1) ist der bei der der Arbeitgeberin gewählte Betriebsart.

Mit Schreiben vom 7.2.2007 wurden die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin darüber informiert, dass die Arbeitgeberin beabsichtige, im März 2007 ihre gesamten Geschäftsaktivitäten auf der Basis eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die T. D. GmbH zu übertragen. Von den seinerzeit beschäftigten Arbeitnehmern haben acht Mitarbeiter dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprochen. Von diesen acht Mitarbeitern schied eine Mitarbeiterin aufgrund Altersrente aus, der Geschäftsführer schloss einen Aufhebungsvertrag. Sechs Mitarbeitern wurde gekündigt, wobei bei vier Mitarbeitern streitig ist, ob der Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses rechtzeitig erfolgt ist.

Mit seinem beim Arbeitsgericht München am 27.4.2007 eingegangenen Antrag im Beschlussverfahren vom 23.4.2007 hat der Betriebsrat die gerichtliche Benennung des Direktors am Arbeitsgericht A. … M. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Aufstellung eines Sozialplans anlässlich der Entlassung von sechs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern begehrt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass anlässlich der Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige vorliege. Die regelmäßige Beschäftigtenzahl betrage 30 Mitarbeiter. Die Arbeitgeberin habe nicht versucht, einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Auf Nachfrage des Betriebsrats habe die Arbeitgeberin die Einrichtung einer Einigungsstelle abgelehnt.

Der Betriebsrat hat in erster Instanz beantragt:

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Aufstellung eines Sozialplans anlässlich der Entlassung von sechs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird der Richter am Arbeitsgericht A. … M. ernannt.

Die Anzahl der Beisitzer je Seite wird auf zwei festgesetzt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt:

Der Antrag wird abgewiesen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da nach dem Betriebsübergang kein Betrieb mehr vorhanden sei und zudem nur noch sechs Mitarbeiter zur Zeit der Kündigung vorhanden gewesen seien. Ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss werde bestritten.

Das Arbeitsgericht München hat durch Beschluss vom 24. Mai 2007, der dem Betriebsrat am 25. Juni 2007 zugestellt worden ist, den Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Betriebsübergang selbst sei keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Betriebverfassungsgesetz, sondern ein Inhaberwechsel. Die Kündigung der verbleibenden sechs Mitarbeiter sei ebenfalls keine Betriebsänderung, da überhaupt kein Betrieb bei der Arbeitgeberin mehr bestehe. Selbst wenn man einen Betrieb unterstelle, habe dieser nur sechs Mitarbeiter und falle daher nicht unter den Regelungsgegenstand des § 111 Betriebverfassungsgesetz.

Der Entschluss, die Arbeitnehmer, die dem Betriebsübergang widersprechen, zu entlassen, habe zwar schon zeitlich vor dem Betriebsübergang gelegen. Die konkrete Kündigungsabsicht habe jedoch erst nach erfolgtem Widerspruch erfolgen können. Zu diesem Zeitpunkt habe es jedoch nur noch sechs Mitarbeiter gegeben. Zum Zeitpunkt des Informationsschreibens habe auch nicht die Absicht einer Betriebsstilllegung oder einer Betriebseinschränkung bestanden, da der Betrieb eben nicht stillgelegt oder eingeschränkt, sondern verkauft habe werden sollen.

Gegen den Beschl...

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