Entscheidungsstichwort (Thema)

Hausverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann durch einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren verpflichtet werden, einem Betriebsratsmitglied, das wegen Stilllegung einer Betriebsabteilung eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung erhalten hat und mit dem der Arbeitgeber sich in einem Abfindungsvergleich auf eine Freistellung von der Arbeitsleistung geeinigt hat, für den Rest der Kündigungsfrist ungehinderten – auch nicht durch Mitteilungspflichten eingeschränkten – Zutritt zur Ausübung des Betriebsratsamts zum Betriebsgelände zu gewähren, wenn schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers an einer Begrenzung des Zutrittsrechts nicht geltend gemacht worden sind.

 

Normenkette

BetrVG § 78; ZPO §§ 935, 940; ArbGG § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 16.07.2009; Aktenzeichen 32 BVGa 30/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 16. Juli 2009, Az.: 32 BVGa 30/09, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der antragstellende Betriebsrat und der Beteiligte zu 2), der Mitglied des Betriebsrates ist, begehren die Aufhebung eines Hausverbots, das die Arbeitgeberin gegenüber dem Beteiligten zu 2) ausgesprochen hat, sowie ungehinderten, d.h. auch durch keine Mitteilungspflichten beschränkten – Zutritt des Beteiligten zu 2) zum Betrieb zur Ausübung des Amtes als Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 30.03.2009 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Beteiligten zu 2) „ordentlich fristgerecht zum 30.09.2009”. Mit Schreiben vom 07.04.2009 stellte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 2) mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei.

Mit Schreiben vom 26.05.2009 teilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) unter dem Betreff „Hausverbot” folgendes mit:

„Sehr geehrter Herr S.,

hiermit sprechen wir Ihnen gegenüber für die Betriebsräume der B. AG und damit auch für sämtliche Filialen der B. AG ein Hausverbot aus. Verstöße hiergegen werden wir als Hausfriedensbruch strafrechtlich verfolgen.

Dieses Hausverbot ist ausgenommen für Fälle von erforderlicher BR-Arbeit. Die Erforderlichkeit der BR-Arbeit weisen Sie vor Betreten unserer Betriebsräume schriftlich zu unseren Händen nach, indem Sie Ihre geplante BR-Arbeit stichpunktartig darstellen.

Mit freundlichen Grüßen

J. K.

Vorstandsvorsitzender b. AG”

Mit Anwaltsschreiben vom 05.06.2009 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin u. a. auf, schriftlich zu erklären, dass das Hausverbot für den Beteiligten zu 2) aufgehoben, dieser ab sofort wieder beschäftigt und dessen ausstehender Lohn unverzüglich nachgezahlt wird.

Das Antwortschreiben der Anwälte der Arbeitgeberin ging auf diese Aufforderung des Betriebsrats inhaltlich nicht ein.

In dem beim Arbeitsgericht München vom Beteiligten zu 2) eingeleiteten Kündigungsrechtsstreit mit dem Az.: 23 Ca 5940/09 schlossen der Beteiligte zu 2) und die Arbeitgeberin am 27. August 2009 einen Prozessvergleich, in dem sie vereinbarten, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung zum 31.12.2009 wegen Stilllegung der Betriebsabteilung enden werde, dass der Beteiligte zu 2) bei unwiderruflicher Freistellung freigestellt werde, dass die Arbeitgeberin eine Abfindung von 150.000,00 EUR brutto zahlen werde, dass keine weiteren gegenseitigen Ansprüche mehr bestünden und dass für den Fall, dass die Abfindung nicht gezahlt werde, das Arbeitsverhältnis über den 31.12.2009 hinaus ungekündigt fortgeführt werde.

Mit ihrem beim Arbeitsgericht München am 18. Juni 2009 eingegangen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren vom selben Tag haben der Betriebsrat sowie der Beteiligte zu 2) – der Beteiligte zu 3) ist zwischenzeitlich aus dem Verfahren ausgeschieden – unter Berücksichtigung späterer Antragsumstellung die gerichtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin beantragt, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, es zu unterlassen, das Hausverbot aufrechtzuerhalten. Weiterhin haben sie begehrt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Beteiligten zu 2) zur Ausübung seines Amts ungehinderten Zugang zum Betriebsgelände zu gewähren und es zu unterlassen, vom Beteiligten zu 2) zu verlangen, seine beabsichtigten Betriebsratstätigkeiten schriftlich bei der Arbeitgeberin anzuzeigen.

Zur Begründung haben der Betriebsrat und der Beteiligte zu 2) ausgeführt, das verhängte Hausverbot verstoße gegen das Behinderungsverbot des § 78 Satz 1 BetrVG sowie gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 2) haben erstinstanzlich beantragt:

I. Der Beteiligten zu 4) wird aufgegeben, es bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, gegenüber dem Beteiligten zu 2) das Hausverbot vom 26.05.2009 aufrecht zu erhalten.

II. Der Beteiligten zu 4) wird bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aufgegeben, dem Beteiligten zu 2) zur Ausübung seines Amtes als Betriebsrat ungehindert Zutritt zum im Bezirk des Beteiligten zu 1) befindlichen Betrieb ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge