Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und den Vergleich unter Berücksichtigung eines Mehrwerts
Leitsatz (redaktionell)
Folgt eine Beschwerdekammer im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018, wird dabei nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Die Entscheidung des Erstgerichts ist vom Beschwerdegericht somit nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern das Beschwerdegericht hat eine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen.
Normenkette
GKG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 09.08.2023; Aktenzeichen 37 Ca 10489/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.08.2023 - 37 Ca 10489/22 - abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren auf 28.946,88 € und für den Vergleich auf 35.420,63 € unter Berücksichtigung eines Mehrwerts in Höhe von 6.473,75 € festgesetzt.
Gründe
Die Parteien haben u. a. über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 30.11.2022 zum 28.02.2023 und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung vom 28.3.2023 zum 31.07.2023 gestritten. Durch gerichtlichen Vergleich einigten sie sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher krankheitsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 28.03.2023 zum 31.08.2023. Wegen des weiteren Vergleichsinhalts wird auf Bl. 123 d. A. Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat auf Antrag der Parteivertreter durch in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2023 verkündeten Beschluss den Streitwert für das Verfahren auf 17.504,28 € und für den Vergleich auf 23.304.28 € festgesetzt. Dabei wurde der Kündigungsschutzantrag bzgl. der zweiten Kündigung mit einem Monatsgehalt berücksichtigt.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehren im Rahmen ihrer am 10.08.2023 beim Arbeitsgericht München eingelegten Beschwerde die Heraufsetzung des Werts des zweiten Kündigungsschutzantrags auf ein Vierteljahreseinkommen und verweisen hierfür auf Ziff. I 21.3 Streitwertkatalog 2018. Darüber hinaus habe das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Klägers 3.973,75 € betragen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen, soweit es ein höheres Bruttomonatseinkommen für die Wertberechnung zugrunde gelegt hat, und sie im Übrigen dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die zweite Kündigung sei eine reine Folgekündigung, ohne dass inhaltlich eine eigenständige Begründung erfolgt sei, die rechtlich zu würdigen gewesen sei. Hierfür reiche ein weiterer Monatslohn als Streitwert.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben an ihrer Auffassung festgehalten. Für den Wert sei das wirtschaftliche Interesse des Klägers, nicht die Arbeit, die Anwalt und Gericht mit dem Kündigungsschutzantrag hätten, maßgeblich.
II.
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der "Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren"(vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 -). Danach hätte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren I. Instanz festzusetzen gehabt. Als Streitwert bezeichnet § 3 Abs. 1 GKG den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert nach § 63 Abs. 2 GKG (vgl. in diesem Sinne auch LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2022 - 26 Ta (Kost) 6057/22 -).
b) Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Der Beschwerdewert ist erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 50 f.).
b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen ...