Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für den Vergleich zur Berechnung der Anwaltsgebühren. Streitwert für einen unechten Hilfsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In den Wert eines Vergleichs sind die Werte aller rechtshängigen oder nicht rechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die durch den Vergleich geregelt wurden. Dient der Vergleich der Beilegung des Rechtsstreits, dann entspricht sein Wert dem Wert der Klageanträge. Von ihm erfasste Hilfsanträge, Hilfswiderklagen oder Hilfsaufrechnungen sind nach Maßgabe von § 45 Abs. 4 GKG zu bewerten. Der Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche führt im Umfang von deren - nach allgemeinen Regeln zu ermittelnden - Einzelwerten zu einem Mehrwert des Vergleichs.

2. Soweit für einen Vergleichsmehrwert der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren muss, kommt es darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben.

3. Im Hinblick auf die Wertfestsetzung für einen unechten Hilfsantrag ist für den Regelfall davon auszugehen, dass in einem Auflösungsvergleich sämtliche in das Verfahren eingeführten Beendigungstatbestände sachlich mitgeregelt worden sind.

4. Zwischen einer Bestandsschutzstreitigkeit und einem Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung besteht regelmäßig wirtschaftliche Identität, soweit die Bewertung des Kündigungsschutzantrags reicht. In einem solchen Fall ist das Zahlungsbegehren nicht mehr als der wirtschaftliche Annex des Feststellungsantrags und begründet als solcher kein selbstständiges Interesse, das eine gesonderte Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertfestsetzung rechtfertigen könnte.

 

Normenkette

ZPO § 278 Abs. 6; GKG § 45 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 21.12.2023; Aktenzeichen 19 Ca 8185/23)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagtenvertreters und unter ihrer gebührenpflichtigen Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21.12.2023 - 19 Ca 8185/23 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich wird auf 6.667,74 € unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts von 2.117,74 € festgesetzt.

Der Beklagtenvertreter hat die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für den Vergleich zur Berechnung seiner Anwaltsgebühren.

Die Parteien stritten im Ausgangsverfahren über einen Kündigungsschutzantrag gegen eine außerordentliche fristlose Kündigung vom 05.08.2023 und einen allgemeinen Feststellungsantrag. Der Klägerin war mit Schreiben vom 19.08.2023 vorsorglich eine weitere außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen worden. Das Verfahren endete durch Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO vom 31.10.2023, für dessen Inhalt auf Bl. 45 ff. d. A. Bezug genommen wird. Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung vom 05.08.2023 zum 30.09.2023 verpflichtete sich die Beklagte in Ziff. 2 zur ordnungsgemäßen Abrechnung und Zahlung eines Gesamtbetrags in Höhe von 600,00 € brutto, in Ziff. 3 zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und zu Ziff. 4 zur Unterschrift des Ausbildungsnachweises bzw. Berichtshefts nach Vorlage durch die Klägerin.

Auf Antrag des Beklagtenvertreters und nach Anhörung der Beklagten hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 21.12.2023 - 19 Ca 8185/23 - den Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung für das Verfahren auf 3.900,00 € und für den Vergleich auf insgesamt 6.017,74 € festgesetzt. Bei der Wertfestsetzung für das Verfahren legte es für den Kündigungsschutzantrag drei Gehälter zu je 1.300,00 € brutto zugrunde. Für den allgemeinen Feststellungsantrag wurde kein Wert angesetzt. Als Vergleichsmehrwert berücksichtigte es für die Zeugnisregelung (Ziff. 3 des Vergleichs) eine Monatsvergütung, für die Vergütungsregelung (Ziff. 2 des Vergleichs) einen Betrag von 167,74 € als Vergütungsanspruch gem. § 611a Abs. 2 BGB für die Zeit vom 01.08.2023 bis 04.08.2023 und für die Regelung zur Unterschrift des Ausbildungsnachweises bzw. Berichtshefts nach Vorlage durch die Klägerin (Ziff. 4 des Vergleichs) eine halbe Monatsvergütung. In Bezug auf Ziff. 4 des Vergleichs lehnte es eine höhere Wertfestsetzung wegen wirtschaftlicher Identität der Annahmeverzugsansprüche mit dem Kündigungsschutzantrag ab.

Gegen diesem, ihm am 07.01.2024 zugestellten Beschluss hat der Beklagtenvertreter im eigenen Namen am 10.01.2024 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für den Vergleich auf 9.750,00 € festzusetzen.

Der Klageantrag in Ziff. 2 enthalte einen allgemeinen Feststellungsantrag, von dem auch die zweite Kündigung vom 19.08.2023 erfasst gewesen sei. Da vom Beklagtenvertreter auf diese Kündigung hingewiesen worden sei, sei auch darüber verhandelt und insgesamt eine Ein...

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