Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren und den Vergleich zur Berechnung der Anwaltsgebühren
Leitsatz (redaktionell)
Folgt eine Beschwerdekammer im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018, wird dabei nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Die Entscheidung des Erstgerichts ist vom Beschwerdegericht somit nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, sondern das Beschwerdegericht hat eine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 27.06.2023; Aktenzeichen 29 Ca 2321/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.06.2023 - 29 Ca 2321/23 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Gegenstandswert für das Verfahren und für den Vergleich wird auf je 66.433,02 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die angefallene Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren und den Vergleich zur Berechnung seiner Anwaltsgebühren.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen eine Kündigung gewandt und mit Klageerweiterung vom 14.06.2023 die Verpflichtung der Beklagten, noch anteiliges Urlaubsgeld von 1.382,63 € und anteiliges Weihnachtsgeld von 2.765,25 € abzurechnen und die hieraus jeweils resultierenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen (Ziff. 3), Zeugnisberichtigung (Ziff. 4), Zeugniserteilung in englischer Sprache (Ziff. 5), Erteilung einer Arbeitsbescheinigung (Ziff. 6) sowie die Feststellung, dass das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot für den Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverbindlich sei (Ziff. 7), begehrt.
Durch Beschluss vom 27.06.2023 hat das Arbeitsgericht München einen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, für dessen Inhalt auf Bl. 71 ff. d. A. verwiesen wird.
Auf Antrag des Klägervertreters, den Gegenstandswert für das Verfahren und für den Vergleich auf je 76.719,83 € festzusetzen, hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 03.07.2023 - 29 Ca 2321/23 - den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 26.878,50 € und für den Vergleich auf 40.235,88 € festgesetzt. Gegen den ihm am 04.07.2023 zugestellten Beschluss hat der Klägervertreter am selben Tage im eigenen Namen Beschwerde eingelegt.
Durch Beschluss vom 21.08.2023 hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde des Klägervertreters teilweise abgeholfen, als es den Gegenstandswert für das Verfahren und für den Vergleich auf je 56.661,55 € festgesetzt hat, und die Beschwerde im Übrigen dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Für den Kündigungsschutzantrag seien drei Bruttomonatsvergütungen mit insgesamt 26.878,50 €, für den Antrag zu 3 die jeweiligen Nennbeträge, für die Zeugnisberichtigung eine Bruttomonatsvergütung von 8.959,50 €, für die Zeugniserstellung in englischer Sprache 1/3 einer Bruttomonatsvergütung, 250,00 € für die Arbeitsbescheinigung und 13.439,25 € für die beanspruchte Feststellung der Unverbindlichkeit des vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots zu berücksichtigen.
Durch Beschluss vom 13.09.2023 wurden dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme des Klägers ist nicht erfolgt. Der Klägervertreter hat auf seine bisherige Begründung Bezug genommen. Danach ist auch für die englischsprachige Übersetzung eine ganze Bruttomonatsvergütung, für die Arbeitsbescheinigung 10 % der Bruttomonatsvergütung und für die Feststellung der Unverbindlichkeit des vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots sechs Monatsgehälter zu je 4.479,75 € anzusetzen.
Im Übrigen wird für das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der "Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren" (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 39 ff.).
2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Der Beschwerdewert ist erreicht, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG.
3. Die Beschwe...