Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen. Mitbestimmungsrecht bei Prämienzahlung. Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-) Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG besteht nicht bei durchgehender und vollständiger Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung auf übertarifliche Zulagen;
2. Ein Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-) Betriebsrats gem. § 89 Abs.1 Nr.10 BetrVG besteht nicht in Bezug darauf, dass eine Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten stattgefunden hätte, wenn gar keine allgemeine Gehaltserhöhung, sondern statt dessen eine Zahlung von betriebsergebnisbezogenen Prämien erfolgt ist und der (Gesamt-) Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Grundsätze der Verteilung dieser Prämien reklamiert hat.
3. Für den Antrag auf Feststellung eines Initiativrechts des (Gesamt-) Betriebsrats gem. § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG bei der Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Entgeltbestandteilen und bei Aufstellung einer Vergütungsordnung für außertarifliche Angestellte besteht kein Feststellungsinteresse, wenn weder der Betriebsrat noch der Gesamtbetriebsrat vorprozessual entsprechende Regelungen verlangt haben.
Normenkette
BetrVG §§ 50, 87; ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 06.04.2006; Aktenzeichen 35 BV 308/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts München vom06.04.2006 –35 BV 308/05 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anrechnung einer Erhöhung von Tarifentgelten auf die bei der Antragsgegnerin bezahlten übertariflichen Zulagen der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, ferner darüber, ob der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht im Falle der Erhöhung der Gehälter der außertariflichen Angestellten hat, weiterhin, ob dem Antragsteller ein Initiativrecht in Bezug auf die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen bei übertariflichen Lohn-/Gehaltsbestandteilen der tariflichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie auf die Aufstellung einer Vergütungsordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10/11 BetrVG zusteht, ggf. Kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG.
Der Antragsteller ist der im Unternehmen der Antragsgegnerin gebildete Gesamtbetriebsrat. Das Unternehmen unterhält Betriebe in I., W., L., W., M. (Zentrale), W., B., B. und P.. In diesen Betrieben sind Betriebsräte gebildet.
Die Antragsgegnerin vereinbarte mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Bayern zum 01.06.2005 im Firmentarifvertrag eine Tariferhöhung von 2,1 %.
Im Unternehmen existieren Arbeitsverträge, denen zufolge lediglich die Tarifvergütung bezahlt wird. Daneben existieren aber auch Arbeitsverträge, die neben der Tarifvergütung übertarifliche Zulagen in unterschiedlicher Höhe vorsehen. Teilweise enthalten die Arbeitsverträge unterschiedlich gestaltete Klauseln, wonach mit dem Gehalt eine bestimmte Zahl von Überstunden oder alle Überstunden abgegolten sein sollen. Außerdem erhalten die meisten der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Arbeitsvertragsmodelle in unterschiedlicher Gestaltung die Möglichkeit, übertarifliche Zulagen – die zum Teil als freiwillige und zum Teil als widerrufliche Leistungen deklariert sind – auf Tariferhöhungen, in einzelnen Fällen aber auch auf Entgelterhöhungen durch Übernahme in eine andere Tarifgruppe anzurechnen. Es gibt bei der Antragsgegnerin aber auch Arbeitsvertragsmodelle, denen zufolge sich die Bezüge nach jeder prozentualen Tariferhöhung aus dem Gesamtbruttogehalt erhöhen. Insgesamt gibt es im Unternehmen zu den übertariflichen Zulagen und der Einbeziehung einer pauschalen Überstundenabgeltung 50 unterschiedliche individuelle Regelungen sowie in Bezug auf die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen 10 verschiedenartige Vertragsklauseln.
Mit Email vom 07.06.2005 informierte die Personalleitung den Gesamtbetriebsrat darüber, dass die Tariflohnerhöhung 2005 in vollem Umfang auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden solle. Dieselbe Mitteilung enthält ein Aushang vom 07.06.2005.
Unter der Bezeichnung als AT-Angestellte beschäftigt die Antragsgegnerin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Vergütung außerhalb der tariflichen Vorgaben vereinbart wurden. Diese Beschäftigten erhielten im Jahr 2005 sog. Prämien, für die die Antragsgegnerin den einzelnen Geschäftsstellen Budgets in unterschiedlicher Höhe zur Verfügung stellte – im Schnitt 5 % des Gewinns der Geschäftsstelle. Diese Prämienzahlungen betrafen im wesentlichen Niederlassungsleiter. Der einschlägige Manteltarifvertrag erfasst seinem persönlichen Geltungsbereich nach alle Arbeitnehmer und Auszubildenden mit Ausnahme solcher Personen, die nach § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG nicht als Arbeitnehmer gelten. So sind in der Gehaltsgruppe 6 der Bewertungsgruppen „Gruppenmerkmale und Tätigkeitsbeispiele für Angestellte” besonders verantwortliche und qualifizierte Tätigkeiten genannt, die mit Disp...