Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung der örtlichen Schwerbehindertenvertretung an Leistungsbeurteilungszweitgesprächen
Leitsatz (amtlich)
1. Die örtliche Schwerbehindertenvertretung hat ein Anhörungs- und Unterrichtungsrecht nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, wenn Leistungsbeurteilungszweitgespräche mit Minderung in der Leistungsbeurteilung durchgeführt werden, die zu einer Minderung der tariflichen Leistungszulage führen.
2. Werden diese Rechte nicht gewahrt, ist die Durchführung bzw. Vollziehung der Leistungszweitbeurteilung auszusetzen.
Normenkette
SGB IX §§ 81, 84, 95, 99; ERA-TV § 7; SGB IX § 81 Abs. 4 Nrn. 4-5, § 84 Abs. 1, § 95 Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 21.07.2016; Aktenzeichen 9 BV 13/16) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 21.07.2016 - 9 BV 13/16 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die Minderungen der Leistungsbeurteilung im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungszweitgespräche in 2015 betreffend Schwerbehinderte und diesen Gleichgestellten im Betrieb A-Stadt auszusetzen.
2. Der Antrag zu III. wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragsgegnerin zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechte der örtlichen Schwerbehindertenvertretung aus § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bei der Leistungsbeurteilung zum Zwecke der Festsetzung einer tariflichen Leistungszulage.
Die Antragstellerin ist die örtliche Schwerbehindertenvertretung im Betrieb A-Stadt der Antragsgegnerin ist, in dem ca. 100 Schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigt werden. Gleichzeitig ist der Vertreter der örtlichen Schwerbehindertenvertretung der Vertreter der überörtlichen Schwerbehindertenvertretung im Unternehmen der Antragsgegnerin und Betriebsratsmitglied im Betrieb A-Stadt.
Im Betrieb der Antragsgegnerin findet der ERA-TV Anwendung, dessen § 7 die Leistungsbeurteilung wie folgt regelt:
"§ 7 Leistungsbeurteilung
1. Arbeitnehmer erhalten je nach Leistung eine Leistungszulage, die in einem Prozentsatz zum tariflichen Grundentgelt auszuweisen und bei jeder Tariferhöhung entsprechend anzuheben ist.
Die zu gewährende Leistungszulage ist auf der Grundlage der Ergebnisse einer methodischen Leistungsbeurteilung festzusetzen.
...
3. Die Leistungszulage wird vom Arbeitgeber oder dessen Beauftragten aufgrund einer Beurteilung der Leistung des einzelnen Arbeitnehmers festgesetzt und ab dem der Festsetzung folgenden Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt.
4. Für die Beurteilung der Leistung ist ein Beurteilungsbogen entsprechend dem Muster in Ziff. 11 zu verwenden.
Das Ergebnis der Beurteilung des einzelnen Arbeitnehmers wird durch eine Punktzahl zum Ausdruck gebracht.
Der Wert eines Punktes beträgt 0,28 Prozent des jeweiligen Tarifgrundentgelts bei maximal 100 erreichbaren Punkten.
Anmerkung:
Der Punktwert von 0,28 % ergibt bei einer mittleren Punktzahl von 50 Punkten (mittleres Leistungsniveau entsprechend der Beurteilungsstufe C des Beurteilungsbogens) eine Leistungszulage von 14 %. Damit ergibt sich eine individuelle Spanne der Leistungszulagen von 0 bis 28 %.
5. Die Leistungsbeurteilung hat mindestens einmal im Kalenderjahr zu erfolgen.
Ergibt sich aus der Beurteilung eine Änderung der Leistungszulage, wird diese ab dem der Festsetzung folgenden Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt.
Eine festgestellte Leistungsminderung ist dem Arbeitnehmer unverzüglich mitzuteilen. Er erhält seine bisherige Leistungszulage während einer darauf folgenden Übergangszeit von drei Kalendermonaten. In den letzten zwei Wochen vor Ablauf der Übergangszeit findet eine neue Leistungsbeurteilung statt, die für die ab dem vierten Monate zu zahlende Leistungszulage maßgebend ist. Diese Leistungsbeurteilung entfällt, wenn während der Übergangszeit Einspruch eingelegt wurde.
Die Übergangsregelung kann von einem Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren - gerechnet ab dem Zeitpunkt der ersten Feststellung einer Leistungsminderung - nur einmal in Anspruch genommen werden.
6. Dem Arbeitnehmer ist eine Kopie seiner Leistungsbeurteilung (Beurteilungsbogen) mit Angabe seiner Leistungszulage in Prozent auszuhändigen.
Auf Verlangen ist ihm seine Leistungsbeurteilung in einem Gespräch zu erläutern.
...
7. Die Leistungszulagen und deren Änderungen sind dem Betriebsrat schriftlich mitzuteilen.
8. (I) Gegen das Ergebnis der Leistungsbeurteilung kann durch den Arbeitnehmer und/oder den Betriebsrat Einspruch eingelegt werden. Wird durch den Arbeitgeber dem Einspruch nicht abgeholfen, so ist der Einspruch einer paritätischen Kommission vorzulegen und von dieser - ggf.
unter Anhörung der Beteiligten - zu behandeln.
Die paritätische Kommission besteht aus mindestens vier Mitgliedern. Zwei Mitglieder werden vom Arbeitgeber, zwei Mitglieder vom Betriebsrat benannt. Bei der Bestellung der Kommissionsmitglieder sind fachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Einsprüche sind unv...