Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Zusammenhangsklage bei sic-non-Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als sogen. sic-non-Fall (BAG vom 24.4.1996 – 5 AZB 25/95 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung) gegeben, ist nach § 2 Abs. 3 ArbGG (Zusammenhangsklage) auch der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für andere Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis der Parteien, welches die sic-non-Zuständigkeit begründet, eröffnet.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 22.10.1997; Aktenzeichen 6a Ca 10431/97) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 22.10.1997 – 6a Ca 10431/97 geändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 16.706/58 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen für die Klage.
Der Kläger ist aufgrund eines Vertreter-Vertrages und eines Vertreter-Vertrags für Betriebsleiter jeweils vom 11./12.4.1995 bei der Beklagten, einem Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmer, seit dem 1.4.1995 zu einer, wie er behauptet, Jahresvergütung von etwa 98.000,– DM als Betriebsleiter beschäftigt. Die Beklagte kündigte ihm mit Schreiben vom 16.6.1997 ordentlich zum 30.9.1997.
Der Kläger macht geltend, er sei bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Deren Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und damit gemäß § 1 KSchG unwirksam. Der Kläger hat mit seiner am 8.7.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage beantragt:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 16.6.1997 aufgelöst ist.
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Hilfsweise für den Fall des Obsiegens der Ziffer 1. und 2. der Klage:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Mit Schriftsätzen vom 21.7. und 20.8.1997 hat der Kläger seine Klage auf Zahlung von insgesamt 17.453,08 DM Vergütung für die Monate Juni mit August 1997 erweitert.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorab die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt, da der Kläger bei ihr nicht als Arbeitnehmer, sondern als selbständiger Handelsvertreter beschäftigt gewesen und er auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen sei.
Das Arbeitsgericht hat sich mit Beschluß vom 22.10.1997 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht München I verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gerichte für Arbeitssachen seien für den vorliegenden Rechtsstreit nicht zuständig, weil der Kläger bei der Beklagten als Handelsvertreter i. S. von § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG beschäftigt gewesen sei und die in dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise gegebene Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht vorlägen. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen sei nicht bereits deshalb zu bejahen, weil ein Fall der sogenannten doppelrelevanten Tatsachen (BAG vom 24.4.1996 – 5 AZB 25/95 = NZA 1996/1005ff.) vorliege. Ein solcher Fall sei dadurch gekennzeichnet, daß mit der Verneinung der Zuständigkeit der Rechtsweg auch in der Sache praktisch entschieden sei. In diesen Fällen habe sich das BAG dafür ausgesprochen, daß die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ausreiche. Die Zuständigkeit aufgrund der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen sei hier jedoch nicht gegeben, da außer der Rechtswirksamkeit der angegriffenen Kündigung auch Vergütungsansprüche Streitgegenstand seien, die entweder auf eine arbeitsrechtliche oder auf eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden könnten (sogenannter aut-aut-Fall). Bezüglich dieses Streitgegenstandes bleibe dem Landgericht auch bei Verneinung der Arbeitnehmereigenschaft ein Urteilsspielraum. Der Kläger sei bei der Beklagten als Handelsvertreter i. S. von § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG i.V.mit §§ 84 ff. HGB beschäftigt gewesen, da er im wesentlichen frei habe seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen können und daher als selbständiger Gewerbetreibender damit betraut gewesen sei, für die Beklagte Geschäfte zu vermitteln oder in ihrem Namen abzuschließen. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen sei auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG begründet; denn Abs. 3 dieser Vorschrift enthalte für den Handelsvertreter eine in sich abgeschlossene Zuständigkeitsregelung, die derjenige für die arbeitnehmerähnlichen Personen in Absatz 1 Satz 2 vorgehe.
Gegen den ihm am 21.11.1997 zugestellten Beschluß hat der Kläger mit...