Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Freistellungswahl des Betriebsrats nach § 38 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag des Arbeitgebers auf Anfechtung auch der Wahl der insgesamt freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG – parallel zu seiner Anfechtung der Betriebsratswahl insgesamt aus dem nämlichen Grund (Verkennung des Betriebsbegriffs – Gemeinschaftsbetrieb –, § 19 BetrVG) – ist mangels Anfechtungsberechtigung und damit Antragsbefugnis unzulässig, jedenfalls ohne weiteres unbegründet, da das Risiko divergierender Beurteilungen des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl und des Betriebsrats bei seiner Freistellungsentscheidung nach § 38 BetrVG und divergierender gerichtlicher Entscheidungen in beiden Anfechtungsverfahren – mit Rechtskraftproblemen – bestünde.
Normenkette
BetrVG §§ 38, 19 Abs. 1-2, § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Beschluss vom 06.10.2009; Aktenzeichen 5 BV 24/09) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 6. Oktober 2009 – 5 BV 24/09 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses des Betriebsrats und hier Beteiligten zu 3 mit der Wahl von zwei von ihrer beruflichen Tätigkeit vollständig freizustellenden Betriebsratsmitgliedern (§ 38 BetrVG).
Die Beteiligte zu 1 produziert und vertreibt Molkereiprodukte an Einzelhandelsketten, wobei sie, nunmehr, etwa 490/495 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beteiligte zu 2 ist ein Tochterunternehmen der Beteiligten zu 1, das durch Abspaltung der ehemaligen Abteilung (bezeichnet auch als Betriebsteil bzw. Sachgebiet V bzw. Profit Center) „F.” der Beteiligten zu 1 auf der Grundlage eines „Ausgliederungsvertrages” (vom, so die Beteiligten zu 1 und zu 2, 15.07.2009, Bl. 27 f d. A.) – im Wege der Umfirmierung einer bereits vorhandenen Vorratsgesellschaft – mit Wirkung zum 01.01.2009 entstanden ist. Die Beteiligte zu 2 ist nach den Ausführungen der Antragstellerinnen ein Dienstleistungsunternehmen, das, mit ca. 130/132 Arbeitnehmern, Großabnehmer – Großküchen, Altenheime, Hotelketten, Gastronomiebetriebe – mit Molkereiprodukten beliefert, die zu etwa 10 % / 20 % von der Beteiligten zu 1 als ihrer Muttergesellschaft und im Übrigen, somit zu etwa 80 % / 90 %, von anderen Herstellern stammen. Der W. Betrieb der Beteiligten zu 2 – ein weiterer Betrieb dieser Beteiligten befindet sich, als selbstständiger Betriebsteil mit eigenem Betriebsrat, in G. – hat nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 und zu 2 nunmehr seinen Sitz in einem Neubau auf demselben Betriebsgelände wie die Beteiligte zu 1. Organgeschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beteiligten zu 1 sind Herr F. B. und Herr M. B.; Organgeschäftsführer der Beteiligten zu 2 sind Herr F. B. und Herr O. K.
Im Zusammenhang mit der Abspaltung – rechtlichen Verselbstständigung – der Beteiligten zu 2 und der damit verbundenen Betriebsänderung wurden ihm Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ein Interessenausgleich vom 14.07.2008 (Bl. 13 – 16 d. A.) sowie eine „Vereinbarung zur Erledigung der im Hause der J. B. GmbH & Co. KG gebildeten Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand ‚Abspaltung des F.’” vom 21.10.2008 (Bl. 17 d. A.) geschlossen. Die betroffenen Arbeitnehmer wurden im Rahmen des mit dieser Abspaltung ebenfalls verbundenen Betriebsübergangs mit Informationsschreiben jeweils vom 03.11.2008 (Bl. 18/19 und Bl. 20 – 26 d. A.) hierüber informiert. Der zum Zeitpunkt der Abspaltung bei der Beteiligten zu 1 bestehende Betriebsrat trat während der Laufzeit seines nach der Abspaltung bestehenden Übergangsmandats mit Beschluss vom 26.03.2009 (Anlage AS 2, Bl. 34 d. A.) vollständig zurück, woraufhin der von diesem bestellte Wahlvorstand für die Neuwahl eines Betriebsrats in der Annahme eines bestehenden gemeinsamen Betriebs der Beteiligten zu 1 und zu 2 die Wahl eines einzigen Betriebsrats für diesen Gemeinschaftsbetrieb ausschrieb und durchführte. In der Betriebsratswahl am 22.06.2009 wurden elf Betriebsratsmitglieder dieses angenommenen gemeinsamen Betriebs gewählt (Wahlniederschrift, Anlage AS 5, Bl. 36/37 d. A.). Der neu gewählte Betriebsrat teilte mit Schreiben an die Arbeitgeberinnen vom 09.07.2009 (Anlage AS 6, Bl. 38 d. A.) mit, dass er am selben Tag einen Beschluss zur Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern gefasst habe, da nach der gesetzlichen Regelung in § 38 BetrVG der (gemeinsame) Betrieb mehr als 500 Arbeitnehmer aufweise.
Die Beteiligten zu 1 und zu 2 auch des vorliegenden Verfahrens haben die Wahl des Betriebsrats mit Schriftsatz zum Arbeitsgericht Rosenheim vom 07.07.2009 im Rahmen eines anderweitigen Verfahrens angefochten und mit Schriftsatz vom 22.07.2009, am selben Tag zunächst per Telefax beim Arbeitsgericht Rosenheim eingegangen, vorliegend auch den Beschluss des Betriebsrats vom 09.07.2009 über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern angegriffen. Di...