Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht der Arbeitgeberin zur Information des Betriebsrats über bekanntgewordene Schwangerschaften
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber ist selbst bei ausdrücklichem Widerspruch der Arbeitnehmerin verpflichtet, dem Betriebsrat eine mitgeteilte Schwangerschaft unter namentlicher Nennung der Arbeitnehmerin mitzuteilen. Weder das Persönlichkeitsrecht, noch Datenschutzrecht steht dem entgegen (in Anlehnung an BAG, 1 ABR 6/67, entgegen BVerwG 6 P 30/87).
Normenkette
BetrVG §§ 80, 89; BDSG § 3 Abs. 9, § 28 Abs. 6 Nr. 3, § 32; GG Art. 2, 1, 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 89 Abs. 1 S. 2; BDSG § 3 Abs. 4 Nr. 3; MuSchG § 5 Abs. 1 S. 4; MuSchArbV § 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 08.03.2017; Aktenzeichen 24 BV 138/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes München - Az. 24 BV 138/16 - vom 08.03.2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung, ob dem Beteiligten zu 1) durch die Beteiligte zu 2) bekanntwerdende Schwangerschaften von Arbeitnehmerinnen des Betriebes namentlich mitgeteilt werden müssen.
Der Beteiligte zu 1) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) in A-Stadt gebildete Betriebsrat. Seit Mitte 2015 räumt die Beteiligte zu 2) im Falle der Anzeige einer Schwangerschaft durch eine Arbeitnehmerin dieser schriftlich die Möglichkeit ein, einer Information des Betriebsrates hierüber zu widersprechen. Die Schwangere erhält ein Musteranschreiben der Beteiligten zu 2) (ab Bl. 34 d. A.) mit folgendem Passus:
"Sollten wir bis (2-Wochen-Frist) von Ihnen keine Rückmeldung erhalten, werden wir den Betriebsrat über Ihre Schwangerschaft und die damit verbundenen Mutterschutzfristen informieren."
Im Falle eines Widerspruchs durch die Schwangere wird der Betriebsrat nicht über die Schwangerschaft informiert.
Zeitgleich mit dem Brief an die Mitarbeiterin sendet die Entgeltabrechnung eine vorausgefüllte Gefährdungsbeurteilung an die Führungskraft, einschließlich eines Leitfadens für die Führungskräfte. Die Gefährdungsbeurteilung wird dann durch die Führungskraft durchgeführt bzw. die Führungskraft organisiert und überwacht die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, wobei bei Bedarf der Werksarzt involviert wird.
Ist kein Widerspruch der Mitarbeiterin bzgl. der Mitteilung über die bestehende Schwangerschaft an den Antragsteller eingegangen, so werden der Beteiligte zu 1), der Werksarzt, das Gewerbeaufsichtsamt und der zuständige Personalreferent durch die Entgeltabrechnung über das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und die Mutterschutzfristen schriftlich informiert. Liegt hingegen ein Widerspruch der Mitarbeiterin vor, so wird eine Mitteilung wie vorgenannt zum Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung an den vorgenannten Adressatenkreis mit Ausnahme des Betriebsrats verschickt.
Soweit sich etwa nach dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung herausstellen sollte, dass die Mitarbeiterin aufgrund der Schwangerschaft den Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen kann und auch der Arbeitsplatz nicht angepasst werden kann, wird der Beteiligte zu 1) spätestens im Rahmen einer Versetzungsmeldung nach § 99 BetrVG über die Schwangerschaft der Mitarbeiterin informiert.
Mit Beschluss vom 17.10.2016 hat der Betriebsrat die Einleitung des vorliegenden Verfahrens beschlossen.
Der Beteiligte zu 1) war erstinstanzlich der Auffassung, er habe Anspruch auf vollständige Unterrichtung über alle bekanntwerdenden Fälle der Schwangerschaft von Mitarbeiterinnen, auch für den Fall, dass die betroffene Mitarbeiterin einer Information des Betriebsrats widersprochen habe. Denn die Rechte des Betriebsrates stünden nicht zur Disposition der betroffenen Arbeitnehmerinnen. Der Betriebsrat sei zudem nicht Dritter im Sinne des § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG. Vielmehr habe der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG generell darüber zu wachen, dass im Betrieb geltende Rechtsvorschriften eingehalten würden. Nach § 80 Abs. 2 BetrVG stehe dem Betriebsrat daher auch ein umfassender Informationsanspruch zu, wobei diesen Informations- und Kontrollrechten des Betriebsrates im konkreten Einzelfall auch Vorrang vor einem Vertraulichkeitsinteresse der Arbeitnehmerin zustünde. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stünde ein entsprechender Unterrichtungsanspruch auch in den Fällen zu, in denen die schwangere Mitarbeiterin der Weitergabe widersprochen habe. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung stünden dem auch nicht entgegen, da beide Rechte ihre Grenze durch bestehende Gesetze erfahren könnten. Insoweit sei die Grenze durch § 80 BetrVG gesetzt. Insbesondere stünden der schwangeren Mitarbeiterin auch keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen zu, die gegen die Information sprechen würden. Zur Begründung des Informationsanspruches bedürfe es auch keiner Darlegung eines anlassb...