Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Restmandat aufgrund Betriebsstillegung. Unbegründeter Antrag des Betriebsrats auf Auskunft über die Höhe der im Jahr vor der Betriebsschließung erfolgten Bonuszahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Restmandat des Betriebsrats stellt ein nachwirkendes Teilmandat, nicht aber ein betriebliches Vollmandat dar. Es dient dazu, die im Zusammenhang mit einer Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben erforderlichen betrieblichen Regelungen noch treffen zu können. Daher ist ein funktionaler Bezug zu den durch die Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben ausgelösten Aufgaben des Betriebsrats erforderlich.

2. Ein Auskunftsverlangen des Betriebsrats über die Höhe der im Jahr vor der Betriebsschließung ohne Beteiligung des Betriebsrats erfolgten Bonuszahlungen und die Personen der begünstigten Mitarbeiter ist nicht vom Restmandat des Betriebsrats gedeckt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 21b, 87 Abs. 1 Nr. 10, § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 S. 2 Hs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 19.11.2013; Aktenzeichen 14 BV 4/13)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 11.10.2016; Aktenzeichen 1 ABR 51/14)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers und Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 19. November 2013 - 14 BV 4/13 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten noch über die Erteilung einer schriftlichen Auskunft hinsichtlich der erfolgten Auszahlung variabler Vergütung im Jahr 2010.

Die Beteiligte zu 2 (nachfolgend: Arbeitgeberin) ist die Arbeitgeberin, ein privates Equity Unternehmen, dass ursprünglich zwei Betriebe, nämlich in A-Stadt und in C-Stadt hatte. Der Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betriebsrat) ist der im Jahr 2010 in der Niederlassung A-Stadt gewählte Betriebsrat mit dem Betriebsratsvorsitzenden Dr. ...

Die Arbeitgeberin traf am 1./2. Juni 2010 die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb in A-Stadt zu schließen. Der Betrieb in A-Stadt wurde zum 31. März 2011 stillgelegt; die letzten verbliebenen Mitarbeiter schieden zum 30. Juni 2011 aus. Seitdem erfüllt der Betriebsrat ausschließlich seine Aufgaben im Wege des Restmandats nach § 21b BetrVG.

Der Betriebsratsvorsitzende forderte die Arbeitgeberin nach Stilllegung des Betriebes A-Stadt, unter anderem im März 2012, mehrfach auf, über eine durch die Arbeitgeberin dem Jahr 2010 ohne Beteiligung des Betriebsrats zur Auszahlung gebrachte variable Vergütung Auskunft zu erteilen. Die Auskunftsversuche blieben sämtlich erfolglos.

Mit ihrem am 7. Jan. 2013 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat schriftliche Auskunft hinsichtlich der im Jahr 2010 an Arbeitnehmer des Münchner Betriebs der Arbeitgeberin gezahlten variablen Vergütung beantragt.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, der geltend gemachte Anspruch werde auch vom Restmandat des Betriebsrats gemäß § 21b BetrVG erfasst. Hinsichtlich der im Jahr 2010 an die Mitarbeiter gezahlten Boni sei der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegeben. Dieser konkrete Mitbestimmungstatbestand sei vom Restmandat nach § 21b BetrVG umfasst. Sinn und Zweck des § 21b BetrVG sei es gerade zu verhindern, dass der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte des Betriebsrats durch Vollzug der Betriebsstilllegung unterlaufe, was aber geschehen könne, ginge das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit Betriebsstilllegung unter. Die betroffenen Mitarbeiter wären im Hinblick auf eine willkürliche Lohngestaltung des Arbeitgebers schutzlos gestellt. Dies widerspräche dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsparteien gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG. Bei der Aufstellung der Verteilungsgesichtspunkte der Bonuszahlungen für das Jahr 2010 handele es sich um einen die Betriebsstilllegung überdauernden Regelungsbedarf. Dem Betriebsrat sei nach Treu und Glauben hinsichtlich der Aufstellung der Verteilungsgesichtspunkte eine realistische Mitwirkungsmöglichkeit einzuräumen, welche nicht durch den Vollzug der Betriebsstilllegung zunichte gemacht werden könne. Dementsprechend kämen hinsichtlich des Restmandats all diejenigen Ansprüche des Betriebsrats in Betracht, die vor dem regulären Amtsende des Betriebsrats entstanden seien.

Ursprünglich hat der Betriebsrat Auskunft hinsichtlich der in den Jahren 2010 und 2011 ausgezahlten variablen Vergütung durch die Arbeitgeberin verlangt, seinen Antrag dann aber im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht München am 29. Okt. 2013 auf das Jahr 2010 beschränkt und den Antrag im Übrigen mit Zustimmung der Arbeitgeberin für erledigt erklärt.

Die Betriebsrat hat in erster Instanz zuletzt b e a n t r a g t:

Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, zu Händen des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1 schriftlich Auskunft zu erteilen, an welche Arbeitnehmer im Sinne von § 5 BetrVG des Betriebs in der Niederlassung A-Stadt, Max-Joseph-Straße 7, 80333 A-Stadt, im Jahr 2010 ein...

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