Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d § 2 Abs. 1 ArbGG. Streit um Corona-Prämie nach § 150a SGB XI als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit. Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt es sich dann, wenn die Parteien über die Rechtsfolgen oder Rechtsverhältnisse streiten, die dem Privatrecht angehören. Maßgebend ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen oder sich als gleichgeordnete Teilnehmer am Rechtsleben begegnen.

2. Die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs auf die Corona-Prämie stellt einen Streit um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch eines Arbeitnehmers dar, der in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und damit dem privatrechtlichen Rechtsgebiet zuzuordnen ist.

3. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs. 1 SGG über öffentlich-rechtliche und ausnahmsweise nach § 51 Abs. 2 SGG auch über privatrechtliche Streitigkeiten. Für den letzten Fall ist aber erforderlich, das die Grundlage des Rechtsstreits ausschließlich auf Vorschriften der Pflegeversicherung beruht. Dies ist bei einem Streit aus dem Beschäftigungsverhältnis auf Zahlung einer Corona-Prämie nicht der Fall.

 

Normenkette

GG Art. 101; SGB XI § 150a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a); SGG § 51 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 15.06.2021; Aktenzeichen 3 Ca 3180/21)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.06.2021, Az.: 3 Ca 3180/21, abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.

II. Die Kosten der Beschwerde hat die Beklagte zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Corona- Prämie nach § 150a SGB-XI.

Die Klägerin war vom 15.02.2020 bis 31.05.2020 als examinierte Krankenschwester bei der Beklagten, die einen ambulanten Pflegedienst betreibt, beschäftigt.

Nachdem in der Güteverhandlung vom 03.05.2021, in der die beklagte Partei nicht anwesend noch vertreten war, ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil ergangen ist, wies der Vorsitzende nach Eingang des Einspruchs der Beklagten mit Beschluss vom 19.05.2021 (Bl. 35 d.A.) darauf hin, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Sozialgericht C-Stadt zu verweisen, weil es sich um eine Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung handle, für die der Arbeitgeber reine Zahlstelle sei.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11.06.2021 (Bl. 40 ff.d.A.) der Verweisung widersprochen. Sie sieht mit dem LAG Bremen (in seiner Entscheidung vom 23.04.2021, 3 Ta 10/21) den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, weil § 150a SGB-XI als Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber ausgestaltet sei und die Bestimmung an ein Arbeitsverhältnis anknüpfe. Die Zahlung sei ihrem Sinn nach keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern eine Prämie für die Leistungen der Beschäftigten. Woher der Arbeitgeber das Geld seinerseits wieder bekomme, sei für die Frage des Rechtswegs unerheblich. Die Konstellation sei ähnlich der um Kurzarbeitergeld, bei dem Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor die Arbeitsgerichte gehörten.

Mit Beschluss vom 15.06.2021 (Bl. 44 ff.d.A.) hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht C-Stadt verwiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es handle sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 2 ArbGG, da Rechtsgrundlage § 150a SGB-XI und damit eine Regelung aus dem Bereich der sozialen Pflegeversicherung sei. Der Arbeitgeber sei einzig Zahlstelle der sozialrechtlichen Leistung, die wie auch etwa die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung vor den Sozialgerichten geltend zu machen sei.

Gegen diese ihrem Prozessvertreter am 17.06.2021 zugeleitete Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2021 (Bl. 51 ff.d.A.), der am 01.07.2021 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, unter Wiederholung der bisherigen Argumentation sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 15.06.2021 - 3 Ca 3180/21 - den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig zu erklären.

Mit Beschluss vom 08.07.2021 (Bl. 61 f.d.A.) hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und den Rechtsstreit dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Die nach den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GKG statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden (§§ 539 Abs. 1, 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG): Mit ihrem am 01.07.2021 eingegangenen Schriftsatz vom 30.06.2021 hat d...

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