Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 21.08.1990; Aktenzeichen 5 Ca 5961/90)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 21.08.1990 – 5 Ca 5961/90 – wird aufgehoben.

2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Klägervertreters wird auf 26.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte hat dem Kläger, der bei ihr seit 01.05.1989 zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von 6.500,– DM beschäftigt war, am 15.05.1990 entlassen. Mit Schriftsatz vom 16.05.1990 hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 15.05.1990 nicht aufgelöst wurde, sondern über den Kündigungstermin hinaus fortbesteht.
  2. hilfsweise

    die beklagte Partei für den Fall des Obsiegens zu verurteilen, die Klagepartei zu einem Gehalt von DM 6.500,– brutto wie bisher als Außendienstleiter zunächst bis zur Rechtskraft weiterzubeschäftigen.

Die Parteien haben den Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich vom 02.07.1990 erledigt.

Auf Antrag des Klägervertreters hat das Arbeitsgericht den Streitwert festgesetzt und zwar gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG auf 3 Monatsbezüge von 6.500,– DM, also auf 19.500,– DM. Gegen diesen Beschluß, der dem Beklagtenvertreter laut Konstatierung vom 22.08.1990 nur formlos mitgeteilt wurde, richtet sich seine Beschwerde vom 27.08.1990, die am 28.08.1990 bei Gericht einging. Der Klägervertreter will erreichen, daß der Streitwert auf 26.000,– DM angehoben wird, weil für den Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung im Falle des Obsiegens ein eigener Streitwert festgesetzt werden müsse, der dem Wert des Kündigungsschutzantrags hinzuzurechnen sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die nach § 10 Abs. 3 BRAGO statthafte Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Beide Klageanträge sind getrennt zu bewerten und zur Berechnung des Gegenstandswertes zusammenzuzählen.

a) Ziffer 1 des Klageantrags ist ein allgemeiner Kündigungsschutzantrag, der nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG mit 3 Monatsbezügen zu bewerten ist (Beschlüsse vom 21.11.1985 – 6 Ta 150/85 = JurBüro 86, 434; vom 13.01.1986 – 5 Ta 211/85 = MDR 86, 698; vom 12.07.1989 – 9 Ta 104/89 = JurBüro 90, 40).

b) Ziffer 2 des Klageantrags ist ein sogenannter unechter Hilfsantrag, weil er zwar ausdrücklich hilfsweise, aber für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt wurde. Der eigentliche oder echte Hilfsantrag wird dagegen für den Fall gestellt, daß der Kläger mit dem Hauptantrag unterliegt (vgl. die eingehende Darstellung von Schneider in der Anmerkung zu LAG Köln, LAGE GKG § 19 Nr. 2). Die prozessuale Zulässigkeit eines solchen unechten Hilfsantrags ist zwar nicht unumstritten. Das BAG hat aber mit der herrschenden Lehre angenommen, daß es sich dabei um eine Art Rechtsbedingung handele und nicht um einen unzulässigen bedingten Klageantrag (BAG, Urteil vom 08.04.1988 – 2 AZR 777/87 = NZA 88, 741).

Ob auf den unechten Hilfsantrag die Streitwertbegrenzungsregel des § 19 Abs. 4 GKG anzuwenden ist, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig.

Teilweise wird angenommen, § 19 Abs. 4 GKG erfasse alle Arten von Hilfsanträgen. Dies ergebe sich aus der herrschenden Meinung vor der Novellierung des Kostenrechtes durch Gesetz vom 09.12.1986. Der Gesetzgeber habe die herrschende Meinung gekannt und gleichwohl § 19 Abs. 4 GKG unverändert gelassen (LAG Baden-Württemberg, JurBüro 88, 1156). Auch das LAG Düsseldorf (JurBüro 89, 955) lehnt eine Streitwertaddition im Hinblick auf § 19 Abs. 4 GKG ab (unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung). Mümmler weist auf die „wirtschaftliche Einheit” des Kündigungsschutzantrages und des Weiterbeschäftigungsantrages hin und darauf, daß beide Anträge vom selben Interesse getragen seien, das die Anwendung von § 5 ZPO ausschließe (JurBüro 87, 1857, ferner Anm. zu LAG Schleswig-Holstein, JurBüro 87, 1056; Anm. zu LAG Baden-Württemberg, JurBüro 88, 1156). Gegen eine Berücksichtigung des Hilfsantrages bei der Streitwertbemessung wendet sich auch LAG München, Beschluß vom 12.05.1987 – 2 Ta 94/87 – n.v..

Die Gegenmeinung wird insbesondere von Schneider vertreten (Streitwert, 8. Aufl., „Hilfsantrag” RdNr. 2472 und bestätigende Anmerkung zu LAG Köln, LAGE GKG § 19 Nr. 2). Schneider weist darauf hin, daß der Gesetzgeber des Kostenänderungsgesetzes – wie aus den Materialien ersichtlich – nur den echten Hilfsantrag bedacht habe. Die Vorschrift sei deshalb auf den unechten Hilfsantrag nicht anzuwenden, denn es handele sich bei Haupt- und unechtem Hilfsantrag um unterschiedliche Streitgegenstände, die der Kläger vorbehaltlos verfolge, während er bei einer echten Eventualstellung nur den einen oder den anderen Antrag zuerkannt haben will. Die Auffassung von Schneider teilen die Landesarbeitsgerichte Köln – a.a.O.; Hamm – NZA 89, 231; Schleswig-Holstein JurBüro 87, 1056; München, Beschluß vom 03.05.1990 – 3 Ta 61/90 – n.v..

c) Das erkennende Gericht folgt der letzteren Auffassung. Nach der Vorst...

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