Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen qualitativer Minderleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine ordentliche Kündigung wegen qualitativer Minderleistung setzt grundsätzlich voraus, dass die „Durchschnittsleistung” vergleichbarer Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum dargestellt wird, damit festgestellt werden kann, ob die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit beim gekündigten Arbeitnehmer über längere Zeit hinweg erheblich überschritten wird. Liegt eine solche Überschreitung vor, kann dies je nach Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht vorwerfbar verletzt (im Anschluss an BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06).

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Urteil vom 08.04.2010; Aktenzeichen 3 Ca 2556/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 08.04.2010 – 3 Ca 2556/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung.

Die Klägerin ist seit 01.08.1999 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte in Teilzeit zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.041,00 EUR beschäftigt. Sie wurde als sogenannte Datenerfasserin eingesetzt, vereinzelt in der sogenannten Vorerfassung, ganz überwiegend jedoch in der Enderfassung bzw. Ergänzungserfassung.

Dabei war sie für die Erfassung nationaler und internationaler Frachtdaten zuständig. Die Vorerfassung besteht darin, dass die Frachtbriefe ins Büro gebracht und dort in einem ersten Schritt kursorisch erfasst werden. Dabei wird die Postleitzahl des Empfängers aufgenommen sowie der Barcode gescannt, der sich auf jedem Frachtbrief befindet. Die Enderfassung besteht darin, die genauen Daten des einzelnen Frachtbriefs zu erfassen und auf Plausibilität zu überprüfen – z. B. darauf, ob die angegebene Postleitzahl zum Empfängerort passt, ob die Straße oder der Empfängerort richtig ist, ob Besonderheiten für Stückgut oder Expressgut bestehen usw. Bei Auffälligkeiten hat der betreffende Mitarbeiter in der Vorerfassung auf dem Frachtbrief mit Leuchtstift Markierungen anzubringen, die dann im Rahmen der Enderfassung besonders zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin erhielt mit Schreiben vom 26.08.2008 eine Abmahnung wegen privater Telefonate während der Arbeitszeit vom Dienstort aus nach Brasilien. In einer weiteren Abmahnung mit Schreiben vom 03.06.2009 wurde beanstandet, dass die Klägerin am 28.04.2009 und am 25.05.2009 falsche Daten in das System Domino eingegeben habe.

Mit Schreiben vom 06.07.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2009.

Die Klägerin bestreitet die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe. Insbesondere sei es nicht ihre Taktik gewesen, Fehler zu vertuschen. Auch hätten die – bestrittenen – Fehler nicht zu einem Schaden der Beklagten geführt. Im Übrigen habe es nicht, wie ihr vorgeworfen werde, immer wieder Probleme durch Fehler der Klägerin gegeben. Die von der Beklagten im einzelnen dargelegten Fehlleistungen werden von der Klägerin durchweg bestritten.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin mache trotz zehnjähriger Tätigkeit immer wieder dieselben sachlichen Fehler. Sie erkenne die Fehler von Kollegen in der Vorerfassung, korrigiere diese aber nicht. So habe sie eine Sendung nach San Marino nicht als Zollgut erfasst und diesen Fehler später – eigenmächtig, aber fehlerhaft – korrigiert. Bei einem anderen Kunden habe sie die Lieferscheine nicht, wie es geboten gewesen wäre, nach Lieferorten in Deutschland und im Ausland getrennt. Mithin habe sie einen bereits in der Vorerfassung gemachten Fehler nicht korrigiert. Des weiteren habe sie bei der Erfassung einer Sendung nach Irland nicht das korrekte Länderkennzeichen „IRL” verwendet, sondern fälschlicherweise das Kennzeichen „IR” für Iran. Schließlich habe sie bei einem Transportauftrag eines weiteren Kunden als Verpackungsmittel „fünf Euro-Paletten” erfasst, obwohl im Auftrag klar von „fünf Sperrholzkisten” die Rede gewesen sei. Die Klägerin habe bis zur Umorganisation in der Niederlassung im Jahr 2007 ihre damalige Arbeit gut gemacht. Dies zeige, dass es der Klägerin nicht an Fachwissen fehle. Sie sei in den letzten Jahren nur nicht mehr bereit gewesen, dieses Fachwissen entsprechend einzusetzen.

Das Arbeitsgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 08.04.2010 – 3 Ca 2556/09 –, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, festgestellt, dass die ordentliche Kündigung vom 06.07.2009 unwirksam ist, und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Es hat zur Begründung ausgeführt, der Sachvortrag der Beklagten belege zwar Fehler der Klägerin, auch erscheine der abweichende Sachvortrag der Klägerin in vielen Fällen nicht nachvollziehbar, teilweise gekünstelt und tatsächl...

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